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Die Lilie im Tal (German Edition)

Die Lilie im Tal (German Edition)

Titel: Die Lilie im Tal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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die sie ersinnen, schmücken; es ist ein geistiger Schmuck, anmutig wie ihre Toilette. Aber der englische Scherz ist eine Säure, die ihr Opfer so zersetzt, daß nur noch ein glattes und geschabtes Skelett übrigbleibt. Die Zunge einer geistreichen Engländerin gleicht der des Tigers, der das Fleisch bis auf die Knochen wegreißt, wenn er nur spielt. Der Spott ist die allmächtige Waffe des Teufels, der einem zugrinst: ›Ist das alles?‹ Spott läßt ein tödliches Gift in der Wunde zurück, die er mit Absicht schlug. In dieser Nacht wollte Arabella ihre Macht beweisen, wie ein Sultan, der, um sein Vermögen zu zeigen, sich den Scherz erlaubt, Unschuldigen die Köpfe abzuschlagen.
    »Mein Engel«, sagte sie, als sie mich in den Halbschlaf gelullt hatte, wo man alles vergißt, ausgenommen das Glück, »auch ich habe eine Moral erfunden. Ich fragte mich, ob es wohl Sünde sei, dich zu lieben, ob ich damit gegen die göttlichen Gebote verstieße; und ich fand, daß es nichts Frömmeres oder Natürlicheres geben könne als meine Liebe. Warum sollte Gott Wesen erschaffen, die schöner sind als die andern, wenn nicht, um uns ein Zeichen zu geben, daß wir sie anbeten müssen? Ein Verbrechen wäre es, dich nicht zu lieben! Bist du nicht ein Engel? Jene Dame beleidigte dich, indem sie dich mit den übrigen Sterblichen verwechselt. Die Regeln der landläufigen Moral finden auf dich keine Anwendung. Gott hat dich über alles gestellt. Heißt dich lieben nicht: sich Gott nähern? Kann er es einer armen Frau verübeln, wenn sie sich nach dem Göttlichen sehnt? Dein großes, lichtes Herz gleicht so sehr dem Himmel, daß ich das Opfer einer Täuschung wurde, wie die Nachtfalter, die sich an den festlichen Kerzen verbrennen. Wird man sie für ihren Irrtum strafen? Oder besser: war es denn ein Irrtum? Bedeutet es nicht die hehre Anbetung des Lichts? Sie gehen an einem Übermaß von Frömmigkeit zugrunde, wenn es überhaupt ein ›Zugrundegehen‹ ist, sich dem, was man liebt, hinzugeben Ich habe die Schwäche, dich zu lieben, während jene Frau die Kraft hat, sich in ihrer katholischen Kapelle zu verschanzen. Zieh die Stirn nicht kraus; du glaubst, ich nähme es ihr übel? Nicht im geringsten, mein Kleiner. Ich verehre ihre Tugend, die sie bewogen hat, dich freizugeben, und es mir so möglich machte, dich zu erobern, dich auf ewig festzuhalten. Denn du bist auf ewig mein! Nicht wahr?« –»Ja.« – »Auf ewig?« – »Ja.« – »Du begnadigst mich also – Sultan? Ich allein habe erraten, was du wert bist. Sie versteht den Landbau, sagst du. Ich überlasse diese Wissenschaft den Pächtern und bebaue lieber – dein Herz.«
    Ich versuche, mir ihr berauschendes Geplauder ins Gedächtnis zurückzurufen, um Ihnen ein richtiges Bild von dieser Frau zu geben und zu rechtfertigen, was ich Ihnen von ihr gesagt habe, und um Ihnen so die Lösung des Konflikts verständlich zu machen. Aber wie soll ich Ihnen die hübsche Begleitung zu diesen Worten beschreiben? Es waren Ausgelassenheiten, die sich den erstaunlichsten Phantasien unserer Träume vergleichen ließen; manchmal Schöpfungen, die meinen Liebessträußen glichen: Anmut paarte sich mit Kraft; Zärtlichkeiten und ihre langsam weiche Wollust wechselten mit den vulkanischen Ausbrüchen jäher Leidenschaft. Bald waren es die raffiniertesten Klangfärbungen, die sie dem Konzert unserer Sinne entlockte; dann Verschlingungen wie die spielender Schlangen; endlich die einschmeichelndsten Reden, verträumt mit lachenden Gedanken, kurz, alles, was der Geist zur Erhöhung der Sinnesfreude erfinden kann. Durch die Blitzschläge ihrer stürmischen Liebe wollte sie in meinem Herzen die Eindrücke vernichten, die Henriettes keusche, andächtige Hingabe zurückgelassen hatte. Die Marquise hatte die Comtesse ebensogut gesehen, wie Madame de Mortsauf sie; beide hatten einander richtig beurteilt. Die Heftigkeit Arabellas zeigte mir den ganzen Umfang ihrer Besorgnis und ihre geheime Bewunderung für die Rivalin. Am nächsten Morgen waren ihre Augen voller Tränen, sie hatte nicht geschlafen.
    »Was fehlt dir?« fragte ich. »Ich fürchte, meine übertriebene Liebe könnte mir schaden«, antwortete sie, »ich habe alles gegeben; jene Frau ist klüger als ich, sie besitzt etwas, was du noch begehren kannst. Wenn du sie mir vorziehst, so vergiß mich. Ich werde dich nicht mit meinen Leiden, meinen Gewissensbissen, meinen Qualen belästigen; nein, ich werde fern von dir sterben wie eine Pflanze, der die

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