Die Lilie von Florenz
wurde.
âKomm.â Sanft zog sie ihn zu sich aufs Sofa. Sie läutete ein kleines Glöckchen und befahl dem Diener, der sogleich erschien, ihnen frischen Kaffee zu bringen. âUnd jetzt werde ich dir mal was über die Natur der Frauen erklären.â
âDanke, da habe ich keinen Bedarf. Die kleine Bandinelli soll sich nicht einbilden, ich würde für sie mein Leben aufgeben.â
âAber das verlangt sie gar nicht.â Die Principessa wirkte sichtlich zufrieden. âSie möchte doch mit dir gemeinsam leben. Welche gute Ehefrau wäre denn deinen Mätressen gegenüber gleichgültig? Und dass sie Temperament hat, habe ich dir vorher gesagt.â
âIhr habt erzählt, Ihr kennt dieses Mädchen nicht.â
âIch kannte ihre Mutter. Es hätte mich gewundert, wenn dieses liebenswerte, störrische Temperament nicht ebenso bei ihrer Tochter durchschlagen würde.â
Matteo antwortete nicht. Es war die Idee der Principessa gewesen, dass er sich mit Allegra verlobte. Er hatte diese Ehe tatsächlich vom ersten Moment an nicht ernst genommen, bis ⦠ja, bis er ihr das erste Mal begegnete. Da hatte sie ihn gereizt. Ihre zweite Begegnung, die so leidenschaftlich und intim war, ohne dass sie einander berührten, hatte ihn verzaubert. Die dritte Begegnung aber ⦠der Kuss und ihre Abweisung ⦠Sie hatte ihn gekränkt! Abgewiesen! Welche Frau wies ihn, Matteo del Pirandelli, ab?
Der Diener brachte auf einem Tablett zwei kleine Tassen mit frisch aufgebrühtem Mokka. Erst nachdem er den Salon verlassen hatte und sie wieder allein waren, nahm die Principessa eins der Tässchen und rührte mit einem ebenso winzigen Silberlöffel darin.
âGefällt sie dir?â, fragte sie sanft.
Gefallen war kein Ausdruck! Er dachte seit Tagen an nichts anderes. Seit gestern der Brief ihres Vaters eintraf, war er wie besessen von dem Gedanken an sie. Ihre groÃen hellen Augen, die ihn so vertrauensvoll angeblickt hatten. Der Rosenblütenmund, der sich ihm so bereitwillig geöffnet hatte. Die schmale Taille, auf der seine Hände hatten ruhen dürfen. Die Brüste, die sich unter dem Mieder hoben und senkten, als ihr Atem schneller ging ⦠Ja. Sie gefiel ihm. Mehr als das. Er begehrte sie.
âJaâ, sagte er.
âDas habe ich mir gedacht.â Die Principessa lächelte. Plötzlich wirkte sie gar nicht mehr so ehrwürdig, und auch das Alter war ihr kaum mehr anzusehen. Sie machte auf Matteo eher den Eindruck eines jungen Mädchens. âDas ist wirklich sehr gut.â
âWas soll daran gut sein, wenn sie mich abweistâ, widersprach er.
âLiebst du sie?â
Er schüttelte stumm den Kopf. Nein, Liebe ⦠er wusste viel über die Liebe. Cristina hatte er vom ersten Moment an geliebt und begehrt. Doch die Liebe war wie ein Schmetterling, sie taumelte von einer Blüte zur nächsten.
âWas nützt es mir, sie zu lieben? Irgendwann endet jede Liebe.â
Die Principessa blickte ihn stumm an. Es sah aus, als dachte sie nach. Dann sagte sie leise: âErzähl mir von ihr.â
âVon Allegra?â Sie nickte. âSie ist wunderschön. Ich habe nie eine Frau gesehen, die so viel Schönheit und Anmut in sich vereinigt. Aber etwas an ihr ist anders ⦠Sie ist sich dieser Schönheit nicht bewusst, und das macht sie noch â¦â Er biss sich auf die Zunge. Beinahe hätte er gesagt, es mache Allegra noch âliebenswerterâ â¦
âNun, wie auch immer. Sie hat rotes Haar, das ihr bis zur Taille reicht, ihre Augen sind grau, ihr Gesicht von einer hellen Schönheit, und wenn sie spricht â¦â
Ihm versagte die Stimme. Ja, wenn Allegra sprach, dann schien ihm jedes seiner eigenen Worte dumm und plump.
âIch kann kaum in Worte fassen, wie schön sie istâ, flüsterte er.
âLiebst du sie?â, fragte die Principessa erneut.
Er sprang auf. âIch muss gehenâ, verkündete er, griff das Mokkatässchen und stürzte den heiÃen bitteren Trunk herunter. Am Tassenboden hatte sich der Zucker gesammelt, und er spürte die SüÃe auf der Zunge. âEs geht mir wie Euch, ich habe dringende Geschäfte.â
âOh, ich habe mir für die Mittagszeit eine MuÃestunde verordnetâ, sagte die Principessa fröhlich. âIch habe mir einen jungen Kastratensänger aus dem Konservatorium bestellt. Denk dir nur,
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