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Die Lilie von Florenz

Die Lilie von Florenz

Titel: Die Lilie von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Gordon
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den weichen, abgetretenen Teppich zu seinen Füßen gerichtet.
    Allegra beobachtete ihn schweigend. Vor ihr auf dem Tisch lag das aufgeschlagene Rechnungsbuch, das sie herangezogen hatte, um sich über die finanzielle Situation des Landguts einen Überblick zu verschaffen. Ihre Finger trommelten auf die Tischplatte.
    â€žWie kam es, dass mein Vater allein ausgeritten ist?“, fragte sie schließlich leise. In ihrer Stimme lag kein Vorwurf. Sie war nur müde. Die letzten Stunden hatten ihr alle Energie geraubt.
    Der Blick des Gutsverwalters ruckte hoch. Seine Augen huschten hin und her, wichen ihr aus und verharrten schließlich starr auf dem überlebensgroßen Porträt von Allegras Großvater, das hinter ihr an der Wand hing.
    â€žSignora Allegra, es tut mir leid“, stotterte er schließlich. „Euer Vater hat den Stallburschen angeschrien, als dieser ihn begleiten wollte. Ich werde Sorge tragen, dass er bestraft und vom Hof gejagt wird.“
    Allegra seufzte. „Das wirst du nicht tun“, sagte sie bestimmt. „Den Stallburschen trifft keine Schuld. Lucia hat mir erzählt, mein Vater habe einen Brief bekommen, der ihn in große Aufregung versetzt hat. Diesen Brief habe ich aber in seinen Unterlagen nicht gefunden.“
    Die Hände des Gutsverwalters malträtierten die Mütze, als wollte er Wassertropfen herauspressen. „Ich habe ihn an mich genommen, Signora Allegra. Aber ich habe ihn nicht gelesen“, versicherte er ihr rasch. „Ich kann ihn Euch gerne geben, wenn Ihr das wünscht.“
    Allegra antwortete nicht, und er verstand auch so. Er nestelte an seiner Weste und zog einen Brief hervor, den er auf den großen Schreibtisch legte. Dabei machte er sich so lang, als fürchtete er, ihr zu nahe zu kommen.
    â€žIch möchte außerdem, dass du dich um frisches Holz kümmerst. Trockenes Holz. Fahr’ meinetwegen ins Dorf und kaufe es einem Bauern ab, mir ist egal, woher du es bekommst. Lass mich jetzt allein.“
    Unter vielfachen Verbeugungen stolperte er rückwärts hinaus, dann schloss sich die Tür hinter ihm. Allegra atmete auf. Sie lehnte sich vor und nahm den Brief an sich. Das Siegel erkannte sie sofort, und ihr Herz schlug höher. Zugleich aber ballte sich etwas Kratziges in ihrem Hals zusammen und sie legte den Brief wieder beiseite, als hätte sie sich daran verbrannt.
    Zunächst wollte sie sich ein Bild von der finanziellen Situation der Familie machen. Sie hätte sich schon viel eher darum kümmern müssen, dachte sie, als sie das schwere Rechnungsbuch aufschlug. Aber bisher hatte Vater immer wieder gelacht, wenn sie ihm ihre Hilfe anbot.
    Sie hätte hartnäckiger sein sollen.
    Während Allegra in den nächsten Stunden die Kolonnen im Rechnungsbuch las, vergaß sie den Brief, der am Rand des Schreibtischs lag. Erst als Lucia ihr das Abendessen brachte, schaute sie auf.
    â€žLucia, das ist lieb von dir. Danke.“ Sie streckte sich und spürte, wie ein Halswirbel leise knackte. Lucia brachte eine Suppe, frisch gebackenes Brot und Hähnchenfleisch in würziger Sauce. Es war kein Festmahl, aber das Beste, was Allegra seit langem gegessen hatte.
    â€žRosalie möchte mit Euch sprechen, Signora“, sagte Lucia, während sie die Teller auf den Tisch stellte. Sie nahm den Brief und legte ihn beiseite. Allegra streckte die Hand danach aus.
    â€žGib mir den Brief, den wollte ich schon längst gelesen haben. Und sag Rosalie, dass wir morgen reden können. So langsam habe ich mir hier einen Überblick verschafft.“
    â€žJa, Signora. Euer Zimmer ist auch bereit.“
    â€žDanke, Lucia. Du kannst gehen. Wenn ich noch was brauchen sollte, werde ich mich melden.“
    Lucia zögerte.
    â€žSoll ich ein Feuer anfachen, Signora? Es ist kalt hier oben.“
    Allegra zögerte.
    â€žBring’ mir eine Decke, das wird genügen.“
    Lucia knickste hastig und verschwand. Allegra spürte jetzt erst die Kälte, die ihr in den letzten Stunden beinahe unbemerkt in die Knochen gekrochen war. Sie schob die Suppe und das Hühnchen beiseite und stand auf. Unruhig lief sie auf und ab, stampfte gegen die Kälte mit den Füßen auf und bewegte die kalten Zehen in ihren Seidenpantoffeln.
    Es stimmte: es war kalt. Aber Allegra wagte nicht, das Feuer im Kamin entzünden zu lassen. Zum einen hatten sie im Moment nur feuchtes Holz. Und zum anderen hatte ihr das

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