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Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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Äußeres in den vergangenen Jahren komplett verändert. Ihre einst wallenden feuerroten Haare hatte sie zu einem festen Zopf zusammengebunden, der einer Schlange gleich auf ihrer Schulter lag. Sie hatte ihre Brüste deutlich vergrößern lassen. Die Männer hatten Mühe, ihr ins Gesicht zu schauen. Sie trat zwei Schritte bis zum Rand der Bühne und hob leicht die Hände. Sofort verstummte jede Stimme im Raum. Ihr Atem ging stoßweise, aber leise. Ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell. Sie schloss die Augen. Die Lippen begannen zu zittern, der Unterkiefer klappte nach unten. Es sah aus, als ob etwas aus ihrem Rachen kriechen wolle. Dann kamen die Worte. Sie purzelten förmlich aus ihrem Mund heraus.
    »Rafft eure Sachen zusammen, verschließt die Türen, legt Tücher vor die Fenster. Füllt eure Vorratskammern, lasst keinen herein. Aus dem Osten und dem Süden kommt das Böse, klein und grausam, gierig und heimtückisch. Es bricht herein, will Macht über euch gewinnen. Euer Fieber ist seine Nahrung, euer Schmerz sein Labsal. Erst kommt die Krankheit, dann der Tod. Aber seid gewarnt, kein Beten wird helfen, kein Jammern erhört.« Immer noch waren ihre Augen geschlossen. Es war nicht ihre Stimme, mit der sie sprach. Etwas schien von ihr Besitz ergriffen zu haben. »Nur die starke, die wahre Saat wird überleben. Der Rest liegt auf den Feldern, die gefroren sind. Denn die Kälte wird größer, sie frisst eure Vorräte. Wartet nicht. Es sind nur noch wenige Tage. Sie sammeln die Truppen, warten, bis wir schwach sind, am Boden liegen. Dann wird die Zeit des Herrn kommen.«
    Ihre Arme schlugen jetzt wild umher, ruderten wie die Flügel einer Windmühle. Ihre Beine knickten ein, und sie fiel äußerst unsanft nach hinten, schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf. Einzelne Menschen schrien auf. Sofort eilten ihre Helfer auf die Bühne und bildeten einen Kreis um sie. Aber keiner rührte sie an. Stattdessen fassten sie sich an den Händen und schwangenihre Arme. Ein Sanitäter, der bei solchen Veranstaltungen verpflichtend ist, drängte sich nach vorn. Mit Mühe kam er bis zum Bühnenrand. Er stützte sich ab und wuchtete sich auf die Bretter. Zwischen den Beinen der Helfer hindurch sah er, wie ihre Beine immer stärker zuckten, aus ihrem Mund quoll weißer Schaum. Er erhob sich und wollte die Helfer beiseitedrängen. Aber sie ließen ihn nicht vorbei. Er schrie sie an, drängte mit seinem Körper dagegen. Doch es war kein Durchkommen.
    Wenige Sekunden später war das Spektakel zu Ende. Noch wacklig, aber entschlossen erhob sich die Prophetin. Jetzt ließ sie sich bereitwillig vom Sanitäter untersuchen, der aber nichts Auffälliges fand. Sie beschwichtigte ihn. Das würde häufiger passieren. Das sei normal, eine Art Trancezustand. Er müsse sich keine Sorgen machen. Außer einer Beule würde nichts zurückbleiben. Sie wurde zu einem Auto gebracht, und nach wenigen Minuten brausten drei Fahrzeuge vom Parkplatz des Bürgersaals. Zurück blieb zwischen all den nun lautstark diskutierenden Besuchern ein Junge, der sich seine Aufnahme auf seinem Smartphone ansah. Zwei Minuten später war die Prophezeiung im Netz bei YouTube zu sehen, schon am nächsten Morgen sollte der Film 25000 Klicks haben. Am Mittag berichteten die ersten Privatsender darüber. Am Abend war es in den Boulevardsendungen und auf den Online-Seiten der Zeitungen. Und 48 Stunden später saß die Prophetin Birghid, wie sie sich nannte, in einer nationalen Talkshow an einem Buchentisch und ließ sich von einem alerten Moderator über die Zukunft und ihre Kunst ausfragen. Danach war das Video für Stunden nicht mehr herunterladbar.

München, Deutschland, 12. 12., 05.05 Uhr
    Anders als in anderen deutschen Städten ruht die U-Bahn in München werktags zwischen ein und vier Uhr nachts. Dann soll die Stadt, nach Willen der Oberen, schlafen. Spätestens aber,wenn die Menschen zur Frühschicht an das Fließband eines Autoherstellers am Stadtrand, hinter die Kasse eines Warenhauses in der Innenstadt oder einfach zum Lernen in die Schule oder Universität fahren müssen, befördert die gute alte blaugestrichene Bahn auf einem über 100 Kilometer langen Streckennetz bis zu eine halbe Million Fahrgäste am Tag. Seit einigen Tagen durften Obdachlose in den Eingangsbereichen der Stationen ihr Nachtlager aufschlagen. Denn die ungewöhnlich niedrigen Temperaturen der vergangenen Wochen verursachten in den Nächten eine hohe Anzahl Todesopfer unter den Trebern. Die Wohnheime

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