Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
Altarbildes. Es beginnt mit der Erschaffung der Welt.« Er machte einen ausfallenden Schritt. »Es zeigt, wie die Menschen von Gott erschaffen werden …«, ein weiterer Schritt folgte, »… im Paradies leben und vertrieben werden, wie sie sich den Sünden in dieser Welt hingeben«, er sah eine Spur zu lüstern auf Jan und machte dabei einen kleinen Schritt, »… ihre Beurteilung am Jüngsten Tag und wie sie«, jetzt hüpfte er fast, »… ob ihrer Sünden bestraft werden und viertens in die Hölle gelangen oder in den Himmel geleitet werden.«
Elijah kratzte sich weiter an der Wunde, ehe er sagte: »Okay, Erschaffung und Paradies, Vertreibung und Sünde, Jüngster Tag und Hölle oder Himmel. Macht vier oder acht, aber nicht fünf Bilder?«
»Sie haben das eigentlich richtig zusammengezählt. Allerdings ist auch die zweite Zählweise, also mit acht Bildern, möglich. Auf dem einen Bild sehen Sie Gottvater, auf der Rückseite beziehungsweise auf dem zweiten Bild das Paradies. Im zweiten oder dritten sieht man die Vertreibung, im dritten oder vierten das lasterhafte Diesseits, und so geht es weiter, wie eben beschrieben. Das heißt, je nach Zählweise ist das fünfte oder neunte Bild des Altars verschwunden. Ein Bild, das sozusagen den Zustand oder den Ort zeigt, der nach Himmel oder Hölle kommt. Nur, was soll nach der Ewigkeit kommen?«
Die vier sahen Poch fragend an, der den Kopf schüttelte. »Ich bin da der falsche Ansprechpartner. Ich bin Agnostiker.« Er sah zu Regina. »Für Sie: Ich glaube nicht an die Existenz Gottes.«
»Sehr liebenswürdig«, zischte sie zurück.
»Wo hängen diese anderen Bilder?«, fragte Jan dazwischen.
»Nun, vier der fünf hängen im Palast der Dogen in Venedig. Entscheidend ist, dass keiner weiß, was auf dem letzten Werk zu sehen ist, aber dennoch irgendwann im Laufe der Jahrhunderte der Zyklus aus Venedig verschwand, eine Odyssee durch Europa machte und am Ende wieder in der Lagunenstadt auftauchte – ohne das fünfte oder neunte Bild, aber mit einem Schwung an Legenden.«
Elijah schmunzelte. »Reicht da nicht eine?«
Poch sah ihn indigniert an. »Junger Freund, Sie werden gleich verstehen, warum dieser Einwand – wieder einmal – nicht witzig war. Der alte Köhn scheint ja kurz vor einem qualvollen Krebstod zu stehen. Nun, eine der Legenden besagt, dass, wer dieses letzten Bildes ansichtig wird, seine Zeit und seinen Ort nach seinem Tod sehen könne. Und er gewinnt daraus die Erkenntnis, was er ändern könne. Sozusagen ein optischer Ablass.«
Regina drückte ihren Rücken durch, ehe sie sagte: »Das würde zumindest das Interesse des alten und sterbenskranken Köhn erklären. Der will wissen, wie seine baldige Hölle so ausschaut. Aber dafür so einen Aufriss?«
Elijah wiegte den Kopf. »Na ja, schließlich geht es um die Ewigkeit. In Jerusalem lassen sich die besonders Frommen fürviel Geld am Ölberg beerdigen. Sie glauben, dass alle Menschen sich dort am Jüngsten Tag versammeln. Gegenüber auf dem Tempelberg soll Gott auf einem Richterstuhl sitzen und über die Menschen richten. Und die Menschen, die dort beerdigt wurden, wären sozusagen in der ersten Reihe.«
Jan wurde ungeduldig. »Was könnte all das mit den Pocken zu tun haben? Bei allem Respekt für deine Recherche, Regina, aber wir müssen uns auf die Epidemie und die Attentäter konzentrieren.«
Poch fuhr unbeirrt fort. »Etwas mehr Geduld, Jan. Eine weitere Legende sagt, dass Bosch mit diesem Werk etwas äußerst Wertvolles aus Venedig hinausgeschafft haben soll. Etwas, was den dann bald beginnenden Aufstieg seiner Heimat Holland zu einer Handelsmacht begründet haben soll. Der Grundstein des Goldenen Zeitalters der Niederlande!«
Elijah pfiff durch die Zähne. »Ist das nur ein Märchen?«
Poch schüttelte den Kopf. »Bis heute streiten sich die Experten, wie ein kleines und eigentlich unbedeutendes Land wie Holland binnen kürzester Zeit zu einer weltweiten Wirtschaftsmacht aufsteigen konnte. Es besaß Ende des 15. Jahrhunderts nur eine kleine Flotte, die Einwohnerzahl war klein, und Rohstoffe oder besondere Fertigkeiten waren nicht oder kaum vorhanden. Plötzlich explodierte die Wirtschaft förmlich. Neue Länder wurden entdeckt, besetzt und als Kolonien erschlossen. Das ist nach wie vor rätselhaft. Und Bosch soll mit seinem Werk etwas, das dies alles begründete, über die Alpen nach Brabant, also in die späteren Niederlande geschmuggelt haben.«
Elijah verstand immer noch nicht. »Aber warum
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