Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
Monaten einem Anschlag zum Opfer gefallen war, war es an ihm, dem deutschen Hans Straßberger aus Korbach, über alles Weitere zu bestimmen. Er riss sich aus seiner Starre und stapfte hinüber zu dem Zelt der Feldärzte. Ihnen musste er das Ungeheuerliche vorschlagen. Doch die Ärzte, die den Tross begleiteten, lehnten seine Bitte entsetzt ab. Und so blieb Straßberger nur noch eines: Er ließ einen Schlachter aus dem Marketender-Tross holen. Beine und Arme sowie der Kopf des Toten waren schnell vom Körper getrennt, aber der Rumpf musste ausbluten. Zudem sollte der Schlachter das Herz herausnehmen, denn der Deutsche wollte das wichtige Organ und Sitz der Seele seines Landsmanns hier oben im Norden bestatten lassen. In der Stadt, die er, Juan de Austria, im Namen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sowie der spanischen Krone und zur Mehrung seines eigenen Ruhmes bezwungen hatte, ehe er unter grausigen Schmerzen die letzte Ölung erhalten und schreiend den letzten Atemzug getan hatte. Trotz seines spanischen Namens war Juan de Austria wie Straßberger im Süden der deutschen Lande geboren. Das verband.
Und so brach der Tross in der Abenddämmerung des nächsten Tages auf, im Gepäck die Teile Juan de Austrias, des unehelichen Sohnes des letzten großen Kaisers Karl V. und einer Magd aus Regensburg, des Siegers der Seeschlacht von Lepanto, keine 32 Jahre alt geworden. Alles war verteilt auf acht Satteltaschen.
Mons und Valenciennes passierte der Tross jeweils in der Nacht. Tagsüber lagerten sie in den nahen und dichten Wäldern der Städte Nordfrankreichs. Sie hatten gerade in den ersten Strahlen des Morgens abgesessen, als der Deutsche von seinen Spionen, die überall im Feindesland seine Augen und Ohren waren, erfuhr, dass die Franzmänner schon nach ihnen suchten. In ihrem Gepäck aber lag nicht nur der Leichnam des Statthalters, nicht nur dessen Gliedmaßen mussten ohne Schaden nach Süden gebracht werden. Juan hatte seinem Vater Karl V., mit dem er nie gesprochen hatte, dennoch an dessen Grab im Kloster sein Ehrenwort gegeben, dass das Werk des Meisters Bosch in das Herz des wahren Glaubens, nach Spanien, zurückkommen würde. Es durfte auf keinen Fall in die Hände des französischen Königs fallen. Straßberger sah keine andere Möglichkeit. Sie mussten sich teilen. Er würde das Werk verstecken und die anderen Männer mit dem Leichnam ziehen lassen. Niemals hätte er das Werk aus der Hand gegeben. Der Typhus hatte seinem Herren schon den Tod ins Gesicht gezeichnet, aber dennoch war er nah an sein Ohr gerückt, hatte ihn mit fauligem Atem angefleht, ihn fast angebettelt, das Werk niemals in falsche Hände zu geben, es bis Spanien zu schützen, notfalls mit seinem Leben. Denn dort sollten all seine Werke, alle Bilder liegen. Im Schoß der einzigen Verteidigerin des wahren Glaubens. Fern all der protestantischen Bilderstürmer, die hier im Norden Kirchen und Klöster stürmten, die Bilder und Kunstwerke zerstörten und alles nur für ihren falschen Glauben. Dieses Bild von Hieronymus Bosch aber, das er jetzt aus dem Planwagen nahm, war anders. Es war heilig. Und sie würden es nie zerstören können. Er hatte es versprochen. Sicher hatte auch die in Aussicht gestellte Menge an Gulden ihr Übriges getan. So musste er das Werk verstecken, und nur er durfte wissen, wo.
Während seine Männer, die schon die ganze Nacht durchgeritten waren, wieder murrend aufsaßen, blieb er mit dem Werk zurück.Straßberger hatte wenige Meilen zuvor eine kleine Steinkirche am Rande des Waldes erblickt. Er würde sein Pferd in einer Senke des Waldes anbinden und zu Fuß zurückeilen, immer schnell im Gebüsch und hinter Bäumen Deckung suchend, wenn Gefahr drohte, und dann das Werk verstecken.
Es war nicht besonders groß, in zwei schweren Bleiplatten versteckt, ohne Verzierungen nur mit zwei Eisenscharnieren und einem ebenso unscheinbaren, nicht verriegelten Schloss versehen. Aber es besaß ein erhebliches Gewicht. Schon nach wenigen Metern schwitzte er: Der dicke Landsknecht, der so viele Schlachten, so viel Gemetzel und Grauen in der Alten wie auch in der Neuen Welt gesehen hatte, spürte ein unbestimmtes Grauen. Etwas ließ seine verbliebenen Nackenhaare sich aufstellen. Seit er die Hände an die Platten gelegt hatte, kribbelten diese wie toll. Er trat aus dem Schatten. Jetzt brannte die späte Sonne noch stärker. Straßberger zuckte zusammen. Zwei Rebhühner sprangen aus dem Dickicht und flogen mit lautem Ruf in
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