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Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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den blauen Himmel. Sein Wams, mit dicken Eisenplättchen unterlegt, und eine Arkebuse, die kleine Feuerwaffe der Landsknechte, hatte er schon bei seinem Pferd gelassen. Er stolperte, fiel nach vorn, fluchte und prallte mit großer Wucht mit seinem Gesicht auf die Bleiplatte. Seine Nase blutete, als er seine schmerzverzerrten Augen wieder öffnete. Der Turm der Kirche war im gleißenden Licht der im Osten stehenden Sonne zu erkennen, aber nicht weit im Süden sah er auch eine Gruppe Reiter herannahen. Geduckt lief er über die schon abgeernteten Felder, fiel wieder, fluchte erneut und erreichte völlig außer Atem das Kirchlein. Es musste die Klause eines Klosters sein. Hier zogen sich Mönche zurück, um still zu beten, wenn sie auf den Feldern die Arbeit der Tagelöhner und unfreien Bauern begutachteten. Er drückte sich gegen die Tür. Muffige und feuchte Luft schlug ihm entgegen. Es war ihm egal. Sein Leib war schweißnass, ihm schien, als liefe ihm das Wasser in Strömen die Beine herab in die Stiefel. Er hatte kaum geschlafen, seine Narbe, die ihn seit dem Kampf gegen die Mauren in den Alpujarras begleitete und an sein Ende erinnerte, schmerzte, das galt leider auch für den Schanker, den ihm die kleine Andalusierin »geschenkt« hatte. Er sah sich hektisch um, lief durch die Bankreihenach vorn und umrundete den kleinen Steinaltar. Das Werk musste sicher sein, selbst wenn die Kirche gebrandschatzt wurde, was in diesen Zeiten alltäglich war, durfte es nicht beschädigt werden. Er sah den Kerzenständer mit dem Ewigen Licht, riss ihn um und stieß das schmale Ende in die breite Fuge der Bodensteine hinter dem Altar. Die Adern an seinem Hals quollen hervor, fast drückte es seine Augen aus den Höhlen, als er die schweren Platten hinter dem Altar anhob. Er grub mit bloßen Händen in den darunterliegenden trockenen Sand ein Loch und legte dennoch behutsam das Werk hinein. Sollte er es öffnen? Die Versuchung war zu groß. Er öffnete die Verschlüsse. Quietschend bewegten sich die Scharniere. Der alte Krieger hatte viel gesehen. Nichts konnte ihn scheinbar noch erstaunen. Aber jetzt durchfuhr ihn ein Glühen, wie er es noch nie in seinem Leben in sich gespürt hatte. Er zwinkerte mit den Augen. Das war es also. Etwas in ihm schien ihm zu sagen, dass seine Reise hier ihr Ende finden würde. Dennoch glücklich verriegelte er wieder das Bild und setzte die Steinplatten darüber. Den restlichen Sand verteilte er in den Fugen und erhob sich ächzend. Straßberger, schon länger auf einem Ohr taub, was er einem explodierenden Munitionslager in Gent verdankte, hatte in diesem Moment nicht auf die Geräusche gehört. Und so schritt der deutsche Landsknecht in tiefer Genugtuung, seine Pflicht erfüllt zu haben, und der großen Freude, in das Jenseits gesehen zu haben, wieder hinaus in das milde Licht des Spätsommers, als ihn die Lanze des Franzosen oberhalb des Bauchnabels durchbohrte, die Milz, Leber und den Magen aufriss, ehe sie die Wirbelsäule durchstach und den alten Mann an die schwere Eichentür der Einsiedlerkirche des Klosters Saint Emmanuel zu Péronne fixierte.

Rottershausen, Deutschland, 21. 12., 12.34 Uhr
    Zum ersten Mal seit drei Tagen riss der Himmel auf und zeigte ein strahlendes Blau. Auch der Wind hatte nachgelassen. Sonnenstrahlen ließen die Eiskristalle glitzern. Es war absolut still, als Jan sterben wollte.
    War der Winter bislang schon eine Tortur gewesen, schienen die Blizzards der letzten Tage einen neuen schrecklichen Höhepunkt zu setzen. Tag wie Nacht blies aus dem Osten ein Schneesturm nach dem anderen über das Land und bedeckte Mitteleuropa mit Millionen Tonnen Schnee. Da nur staatliche Fahrzeuge bewegt werden durften, blieb ein Verkehrschaos aus. Deutschland wurde still.
    Trotz der Strapazen schien es Martha ein wenig besser zu gehen. Das Virus kämpfte mit dem kleinen Körper, stieß aber wohl auf Widerstand. Das Mädchen wollte nicht sterben und kämpfte. So jedenfalls interpretierte es Jan. Aber jetzt war er am Ende. Auch die Sonnenstrahlen konnten ihn nicht mehr motivieren. Er hatte Martha in den Wagen gelegt, die Standheizung laufen lassen und war ausgestiegen. Gerade zwei Meter hatte er gehen können, ehe er erschöpft in eine Schneewehe fiel und einfach auf dem Rücken liegen blieb. Bald würde das Benzin zur Neige gehen, dann fiel der Motor aus, die Kälte würde in den Wagen kriechen, und wenn man das Mädchen bis dahin nicht fand, würde sie still und friedlich einschlafen und

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