Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
Flügel. Eine Böe erfasste sie, und der weiße, dicke Körper prallte gegen das Hotelfenster. Ridder erschrak und sah dann zu Köhn, der nur mit den Schultern zuckte, während er belustigt auf den zuckenden Vogelleib sah.
»Guten Abend, Herr Köhn.« Eine Frau erschien auf dem Bildschirm vor ihnen.
Ridder wollte aufstehen, aber Köhn wies ihr wieder ihren Platz zu. »Sie kann uns nicht sehen. Unsere Stimmen hört sie nur durch einen Verzerrer. Sie kennt ihre Aufgabe, geht davon aus, dass wir reiche Amerikaner sind. Wir aber können sie sehen.«
Ridder nickte beruhigt.
Sein Kontakt in Deutschland schien sehr aufgewühlt zu sein.
»Also, ich habe die letzten Quellen ausgewertet, die Sie mir zugesandt haben. Sie können sich vorstellen, dass es hier nicht gerade einfach war, ungestört und nachhaltig die Angaben zu überprüfen.«
Es folgte ein Schweigen. Köhn reagierte nicht.
Sie fuhr fort. »Nach den Aufzeichnungen aus dem großen Buch soll Bosch das Gemälde tatsächlich fertiggestellt haben. Es taucht in einem Reisebericht seines Bekannten Erasmus von Rotterdam auf. Die Entzifferung der Geheimcodes seiner Bruderschaft in ’s-Hertogenbosch ist dagegen erfolglos geblieben. Nun wären Ezechiels Erkenntnisse sehr wertvoll. Sind Sie da weitergekommen?«
Jetzt betätigte Köhn das Mikrofon und antwortete. »Ezechiel konnte uns leider nicht mehr weiterhelfen. Er ist tot.«
»Somit bleibt uns nur die Chance, die Spur in Wien und Venedig zu verfolgen.«
Köhn schien sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Er spielte mit seinem Smartphone, während er sprach. »Haben Sie neue Erkenntnisse, die den Verdacht erhärten?«
Die Kontaktperson schnaufte, unterdrückte mühsam ihre Verachtung. »Dieses Werk ist nicht nur ein Bild, Herr Köhn. Es scheint für sehr viele Menschen mehr zu sein. Ich kann nicht einschätzen, ob die Aussagen Birghids relevant sind. Fest steht, dass die drei Legenden um das Bild noch immer von sehr vielen Menschen ernst genommen werden. Ich bin mir sicher, dass die Wiener Kuratorin Setner uns weiterhelfen kann. Allerdings bin ich hier sehr involviert und kann nicht reisen. Ich verstehe auch nicht, warum Sie mich nötigen, dieses Medaillon zu tragen.«
Ridder, die die Vorhänge zugezogen hatte, damit das Videobild besser zu sehen war, blickte erstaunt zu Köhn. »Du schickst dieser naiven Ermittlerin ein Medaillon, und ich gehe leer aus?«
»Meine Liebe, du hast von mir in den letzten Stunden derart viele Antiviren über meine Körperflüssigkeiten aufgenommen, dass selbst das hartnäckigste Virus vor dir kapitulieren würde.«
Sie lächelte fein und griff sich an den Hals.
Köhn wandte sich wieder dem Bildschirm zu und drückte aufden Mikrofon-Knopf. »Sind Sie bei Ihren Gastgebern in der Rhön noch sicher? Und was kann Ihnen unsere Prophetin denn noch so verkünden?«
»Das ist hier nicht sehr lustig. Ich habe noch nie auf diese Art und Weise nach Kunstwerken gesucht. Ich bin Historikerin, keine Detektivin. Und ich hoffe, dass ich meine Vergütung in Form eines gut gefüllten Bankkontos bald sehen darf. Ich werde hier weitersuchen. Sie aber müssen Almut finden. Sie ist im Besitz des Schlüssels, davon bin ich überzeugt.«
Köhn nickte müde, sah zu Ridder und machte mit seinem Zeigefinger eine kreisende Bewegung.
»Wir unterhalten uns in exakt 48 Stunden wieder.«
Und während Clara Ridder sich auf den Tisch legte und die Beine spreizte, so dass Arwed Köhn sofort erkennen konnte, dass sich die Dame wenig aus Unterwäsche machte, verabschiedete er sich formvollendet: »Ich wünsche Ihnen alles Gute bei der Suche.« Er machte eine kleine Pause. »Und passen Sie auf sich auf, Frau Doktor Kistermann.«
Das zweite Buch
Namur, 01. 10. 1578, Mitternacht
Die Leiche roch erbärmlich. Seine Höflinge hatten zwar Fackeln aufstellen lassen, aber der Landsknecht-Oberst Hans Straßberger rümpfte dennoch die Nase, als er den Teppich, der vor dem Eingang hing, beiseiteschlug. Der Sommer war noch nicht endgültig vorüber, obwohl schon bald die Herbststürme vom Westen herein in das Tal der Maas drücken und die schwere Luft des Spätsommers vertreiben würden. Aber jetzt lag der Körper des jungen Mannes im Zelt und stank. Sein Halbbruder hatte darauf bestanden, dass der Leichnam unverzüglich in seine Heimat nach Spanien gebracht wurde – heimlich, mitten durch das Land des verhassten Feindes Frankreich. Und da auch der engste Freund und Berater des Toten, Juan de Escubedo, vor wenigen
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