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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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nicht. Der Hof von Memphis war eine Schlangengrube, in der jeder, der hier einen so bedeutenden Posten wie Vipond innehatte, über wirkungsvolle Giftzähne verfügen musste. Doch schien sich ein gegenseitiges Einvernehmen zu entwickeln, dahingehend, dass er, Albin, sich darauf verlassen könnte, nicht von Vipond getäuscht zu werden, solange dies in seinem Interesse lag.
    »Da sind noch zwei Sachen, die ich gern mit Euch besprochen hätte, Mylord. Aber falls Ihr erschöpft seid, kann ich morgen wiederkommen.«
    »Aber nein, aber nein. Bitte...«
    »Nun, da ist diese seltsame Geschichte von den vier jungen Leuten, die Bramley an der Stelle angetroffen hat, wo Ihr...« Er zögerte.
    »Bis zum Hals eingegraben war?«
    »Ja, genau.«
    »Mir schien das ein Traum zu sein«, sagte Vipond. »Die drei Jungen und das Mädchen.«
    »Ja.«
    »Was taten sie dort?«
    »Wir dachten eigentlich, Ihr könntet uns das sagen. Bramley will die jungen hinrichten und das Mädchen in die Sklaverei verkaufen.«
    »Aber wozu in aller Welt?«
    »Er glaubt, dass sie zu den Gurriern gehören, die Euch angegriffen haben.«
    »Der Angriff der Gurrier fand einen Tag vor dem Zeitpunkt statt, an dem ich aufgefunden wurde. Was hätten die jungen Leute denn dort tun sollen, wenn sie mit den Gurriern unter einer Decke steckten?«
    »Bramley will sie auf jeden Fall hinrichten. Er will ein Exempel statuieren, damit jeder, der einen Minister der Materazzi angreift, sieht, was er zu befürchten hat.«
    »Was für ein blutrünstiger Schakal ist doch Euer Hauptmann Bramley.«
    »Oh, er gehört nicht zu meinen Leuten, Gott behüte.«
    »Was sagen denn die Jungen selbst zu der Sache?«
    »Sie sagen, sie seien dazugekommen und wollten Euch gerade befreien.«
    »Aber Ihr kauft es ihnen nicht ab?«
    »Es gab keine Grabspuren«, sagte Albin. »Außerdem würde ich sie nicht als Kinder bezeichnen. Die Jungen sind dreizehn, vierzehn Jahre alt, aber hartgesotten. Das Mädchen sieht dagegen aus, als sei sie in Watte verpackt groß geworden. Und was haben sie da draußen in den Scablands gesucht?«
    »Welche Erklärung bieten sie dafür an?«
    »Sie behaupten, sie seien Zigeuner.«
    Vipond lachte. »In dieser Gegend gibt es keine Zigeuner mehr, seitdem die Erlösermönche sie vor gut sechzig Jahren alle ausgerottet haben.«
    Er schien einen Augenblick nachzudenken. »Ich rede in ein paar Tagen, wenn es mir besser geht, selbst mit ihnen. Gebt mir doch einen Becher Wasser, seid so gut.«
    Albin reichte ihm den Becher, der auf dem Tisch neben dem Bett stand. Vipond sah nun sehr blass aus.
    »Ich möchte Euch nicht weiter belästigen. Lebt wohl, Mylord.«
    »Ihr wolltet doch zwei Sachen mit mir bereden.«
    Albin hielt an. »Ja. Ehe Bramley Euch fand, hatte er vier Meilen davon entfernt IdrisPukke festgenommen, der sich dort in der Gegend herumtrieb.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Vipond mit vor neuem Interesse leuchtenden Augen. »Ich rede gleich morgen mit ihm.«
    »Leider ist er wieder entwischt.«
    Vor Enttäuschung stieß Vipond geräuschvoll die Luft aus. Fast eine Minute lang sagte er gar nichts.
    »Ich brauche IdrisPukke«, sagte er schließlich. »Wenn er Euch ins Netz geht, bringt Ihr ihn zu mir, ohne dass irgendjemand sonst es erfährt.«
    Albin nickte. »Selbstverständlich, Mylord.« Zufrieden verließ er Viponds Krankenzimmer.

    Die drei Jungen waren nun schon sechs Tage in den unterirdischen Verliesen in Memphis, aber immer noch guten Mutes. Sie bekamen dreimal am Tag ordentlich zu essen, was für jeden anderen Menschen in dieser Stadt hieß, täglich mit drei widerlichen Mahlzeiten vorliebzunehmen. Sie durften so lange schlafen, wie sie wollten, und das taten sie auch achtzehn Stunden lang, als gelte es, sich von den Entbehrungen ihres bisherigen Lebens zu erholen. Dann gegen vier Uhr am Nachmittag sperrte der Kerkermeister die Zellentür auf und herein kamen Albin, der sie bereits einmal verhört hatte, sowie ein offenkundig sehr geachteter Mann Ende der fünfzig.
    »Guten Tag«, sagte Lord Vipond.
    Vague Henri und Kleist beäugten ihn von ihren Betten aus. Auch Cale saß auf seinem Bett, die Knie angezogen, das Gesicht unter der Kapuze seiner Kutte verborgen.
    »Steht auf, wenn Lord Vipond zu euch in die Zelle kommt«, sagte Albin in ruhigem Ton. Vague Henri und Kleist erhoben sich von den Betten, Cale rührte sich nicht.
    »Du da, steh auf und nimm die Kapuze ab, sonst rufe ich die Wache und du wirst dazu gezwungen.« Albins Stimme blieb immer noch sachlich

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