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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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öffnete sie.
    »Ehe ich dich entlasse, möchte ich dich noch zu etwas anderem befragen. Ich habe zahlreiche Berichte von Flüchtlingen aus dem Gebiet der Antagonisten, von Doppelagenten sowie abgefangene Nachrichten über eine Politik der Erlöser, die mit dem Begriff >Vertreibung< bezeichnet wird. Hast du davon gehört?«
    Cale zuckte die Achseln. »Nein.« Beim Anblick von Cales ratloser Miene glaubte ihm Vipond.
    »In den Berichten ist auch von so genannten >Glaubensakten< die Rede. Ist dir dieser Ausdruck bekannt?«
    »Das sind Hinrichtungen wegen Verbrechen gegen den einen wahren Glauben und sie werden vor versammelten Gläubigen durchgeführt.«
    »Es heißt, bis zu tausend gefangene Antagonisten seien auf den zentralen Plätzen vorgeführt worden, um dann bei lebendigem Leib verbrannt zu werden. Denjenigen, die ihrem ketzerischen Glauben abschworen, gewährte man als Gnade den Tod durch den Strang, ehe sie ebenfalls verbrannt wurden.« Er hielt inne und sah Cale eindringlich an. »Bist du der Auffassung, dass solche Glaubensakte möglich sind?«
    »Möglich, ja gewiss.«
    »Weiter wird behauptet, und das wird durch abgefangene amtliche Schreiben gestützt, dass diese Hinrichtungen nur der Anfang seien. In diesen Schreiben ist von der Vertreibung aller Antagonisten die Rede. Meine Leute sagen, es gebe einen Plan, nach dem Endsieg alle Antagonisten auf die Insel Malagasy zu deportieren. Einige Flüchtlinge wiederum behaupten, der Plan sehe vor, alle auf die Insel deportierten Antagonisten umzubringen, um damit die Ketzerei ein für alle Mal auszurotten. Mir fällt es schwer, das zu glauben. Aber du kennst die Erlöser besser als jeder von uns. Was hältst du von diesen Berichten? Ist so etwas vorstellbar?«
    Cale blieb eine Weile stumm. Er war hin- und hergerissen zwischen seinem Hass auf die Erlöser und der Ungeheuerlichkeit, zu der er befragt wurde. »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich. »Von einem solchen Plan habe ich nie gehört.«
    »Es ist doch so, Vipond«, mischte sich IdrisPukke ein, »die Erlöser sind ohne Zweifel ein brutaler Haufen, aber ich erinnere mich sehr gut, als sich vor zwanzig Jahren der Munus-Zirkel erhob, waren ebenfalls allerhand Gräuelgeschichten im Umlauf, wonach sie in jeder eroberten Stadt die Säuglinge einsammelten, um sie dann vor deren Müttern in die Höhe zu werfen und mit ihren Schwertern aufzuspießen. Alle glaubten es, bis sich am Ende alles als Lüge herausstellte. Nichts dergleichen ist je geschehen. Nach meiner Erfahrung gibt es für jede Gräueltat mindestens zehn Gräuelmärchen.«
    Vipond nickte. Die Unterredung hatte keine Ergebnisse gebracht. Er war deshalb enttäuscht und doch besorgt über die Berichte von der Ostfront. Aber etwas Trivialeres bekümmerte ihn noch. Er sah Cale argwöhnisch an.
    »Du hast geraucht. Ich rieche es an deinem Atem.«
    »Was kümmert Euch das?«
    »Ich habe meine Gründe, du Lümmel.«
    Er warf einen Blick zu IdrisPukke hinüber, der immer noch aus dem Fenster schaute, jetzt aber lächelnd. Vipond wandte sich erneut zu Cale.
    »Ich hätte dir so viel Verstand zugetraut, IdrisPukke nicht nachzuahmen. An ihm kannst du eher studieren, wie man es nicht machen sollte. Was das Rauchen betrifft, so ist es eine alberne Vorliebe: eine Gewohnheit, die Auge und Nase beleidigt, das Gehirn und die Lunge schädigt, den Atem verstänkert und einen Mann, wenn er diesem Laster lange genug frönt, verweichlicht. Und jetzt verschwindet alle beide.«

FÜNFUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    V ier Stunden später machten es sich Cale, Vague Henri und Kleist in den Räumen gemütlich, die zu dem von Arbell Materazzi bewohnten Trakt des Palastes gehörten.
    »Und was ist, wenn man herausfindet, dass wir gar keine Leibwächter sind?«, fragte Kleist, als sie sich zum Essen niedergelassen hatten.
    »Na, ich werde es niemandem sagen«, erwiderte Cale. »Du etwa? Was ist denn so schwierig daran? Morgen inspizieren wir den ganzen Palast und machen ihn sicher. Wie oft habt ihr so etwas schon gemacht? Dann hindern wir jeden neuen Besucher, den Palast zu betreten, und einer von uns dreien folgt ihr auf Schritt und Tritt. Falls sie ihre Gemächer verlässt, wovon wir ihr abraten, kommt sie nicht aus der Festung, ohne dass zwei von uns und ein Dutzend Leibgardisten sie begleiten. Mehr ist nicht zu tun.«
    »Warum holen wir uns nicht die Belohnung für ihre Rettung und verschwinden?«
    Kleists Frage war berechtigt, denn genau das hätten sie eigentlich tun sollen, wie

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