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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Hoffman
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Cale sehr genau wusste. Aber das hieße, die Rechnung ohne seine Gefühle für Arbell Schwanenhals zu machen.
    »Wir sind hier so sicher wie nirgendwo sonst«, erwiderte er. »Wir bekommen schon noch die Belohnung, die man uns versprochen hat, und obendrein den Lohn für unsere Arbeit als Leibwächter. Das ist leicht verdientes Geld. Schließlich werden wir hier auch noch von einer ganzen Armee gegen die Erlöser verteidigt. Wenn ihr einen Vorschlag für einen besseren Ort habt, ich bin ganz Ohr.«
    Damit war alles gesagt. In dieser Nacht schlief Arbell Schwanenhals in ihrem Gemach, während Henri und Kleist vor ihrer Tür Wache hielten. »Wir müssen auf Nummer sicher gehen, bis wir morgen einen Übersichtsplan des Palastes machen können«, sagte Cale. Im Stillen überlegte er schon, wie er am nächsten Tag seinen großen Auftritt als allmächtiger Beschützer bei Arbell gestalten würde. Er wollte ihr seine Verachtung für ihre Person zeigen und sie eingeschüchtert und verängstigt sehen, und darin würde er seinen ganzen Stolz, aber auch sein Elend finden.
    Um neun Uhr früh am folgenden Tag trat Arbell Schwanenhals aus ihrem Gemach, nachdem die Kammerdienerin, die ihr gewöhnlich das Frühstück brachte, ihr gemeldet hatte, dass zwei Wachen und zwei struppige Bauernlümmel, die sie sonst nur beim Stalldienst gesehen hatte, draußen vor ihrer Tür Wache hielten.
    Arbell setzte ihre eisigste Miene auf und konnte es kaum fassen, als sie die zwei wildfremden Jungen erblickte. »Wer seid ihr und was tut ihr hier?«
    »Guten Morgen, Lady«, begrüßte sie Vague Henri galant.
    Sie ignorierte das. »Nun?«, sagte sie.
    »Wir sind Eure Leibwächter«, gab Kleist zur Auskunft. Er verbiss sich das Staunen über ihre hinreißende Schönheit und maß sie mit einem Blick, der sagen sollte, dass er schon viele schöne Aristokratinnen gesehen hatte und dass er von dieser hier nicht beeindruckt war.
    »Wo ist euer...« Ihr fiel kein wirklich beleidigendes Wort ein. »Stallmeister«, sagte sie schließlich, unzufrieden mit sich selbst.
    »Sucht Ihr mich?«, fragte Cale, als er mit zwei Männern, die mehrere lange Pergamentrollen trugen, um die Ecke kam.
    »Wer sind diese beiden hier?«
    »Das sind Eure Leibwächter. Der eine heißt Vague Henri, der andere Kleist. Sie haben alle Vollmachten und Ihr tut bitte, was sie Euch sagen.«
    »Dann ist das also Eure Entourage«, kommentierte sie in der Hoffnung, Cale damit besonders beleidigt zu haben.
    »Entourage, was meint Ihr damit?«
    »Eure Teufel«, erwiderte sie triumphierend. »Wie die Fliegen, die Beelzebub, wenn er die Hölle verlässt, auf Schritt und Tritt begleiten.«
    Während Vague Henri und Kleist empört waren, zeigte sich Cale amüsiert.
    »Ja«, sagte er grinsend. »Das ist dann gewiss meine Entourage.«
    »Für Leibwächter sehen sie ein bisschen kümmerlich aus, oder?«
    Cale warf einen bedauernden Blick auf seine Gefährten. »Dass sie so struppig aussehen, tut mir wirklich leid – ich selbst wollte sie nicht den ganzen Tag lang sehen. Aber kümmerlich? Vielleicht solltet Ihr ein paar Materazzi-Söhne auf sie ansetzen, dann würdet Ihr schon sehen, wie kümmerlich sie sind.«
    »Dann sind sie also Schlächter wie Ihr?«
    Der Ausspruch kränkte Vague Henri tief, nur Kleist fühlte sich dadurch geehrt.
    »Ja«, erwiderte Cale leichthin, »Schlächter wie ich.«
    Da Arbell Schwanenhals darauf keine Entgegnung einfiel, kehrte sie in ihr Gemach zurück und schlug die Tür hinter sich zu.
    Zehn Minuten später klopfte es an der Tür. Arbell wies ihr Kammermädchen an, zu öffnen. Diese folgte der Anweisung ihrer Herrin und freute sich zu sehen, dass Cale bei ihrem Anblick große Augen machte. Es war Riba.

    Ribas Aufstieg in eine solch hohe Stellung war nicht weniger erstaunlich als der von Cale. Kaum war Anna-Maria Zeugin von Ribas Rauswurf aus Mademoiselle Janes Gemächern geworden, da war sie auch schon in den Palast der Ehrenwerten Edith Materazzi geeilt, Arbells Mutter und die Gattin des Marschalls, von dem sie getrennt lebte. Es sei gesagt, dass sie seit ihrer vor zwanzig Jahren arrangierten Heirat einander nie anders als fremd gewesen waren und dass die Zeugung der Arbell Schwanenhals das Ergebnis einer sehr unterkühlten dynastischen Vereinigung gewesen sein musste. Dem Marschall gelang es zwar in den meisten Fällen, eine Begegnung mit seiner Gattin zu verhindern, aber weniger Erfolg hatte er bei dem Versuch, ihr allen Einfluss auf die Politik in Memphis zu

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