Die Liste der vergessenen Wünsche: Roman (German Edition)
Monate jede Menge vorgenommen. Sie hatte den schleichenden Verdacht, dass es, ehe sie es sich versah, September sein würde.
Gähnend schlüpfte Clara aus dem Bett. Sie holte eine Farbkopie der Zeitkapsel-Liste aus ihrer Handtasche (das Original, zusammen mit ein paar extra Kopien, befand sich sicher im Inneren der Zeitkapsel in ihrem Koffer), faltete sie auseinander und überflog sie noch einmal schnell:
Dinge, die ich tun möchte, bevor ich 35 bin:
einen Hund haben (Wen kümmert’s, wenn er haart? AuSSer Libby !)
Lincolns Mama ihre schöne Vase ersetzen, die ich zerbrochen habe
einmal Geschworene an einem echten Schwurgericht sein (spitzenmäßig!!!)
nach Wisconsin Dells fahren
Leos Blockflöte im Garten ausgraben & mich dafür entschuldigen, dass ich sie eingegraben habe (& dafür, dass ich zugesehen habe, wie er dafür bestraft wurde, sie verloren zu haben)
Lehrerin werden
Präsidentin der USA werden
einmal »Holiday on Ice« besuchen
Morsezeichen lernen
einmal vom größten Büfett in ganz Amerika essen
in einem Heißluftballon mitfliegen
bei einem Viertelmarathon mitlaufen wie Papa früher (herausfinden, was ein Viertelmarathon ist!)
Blut spenden
mit Delfinen schwimmen
ein komplettes Lebkuchenhaus bauen (keine belämmerten Bausätze erlaubt!) (Und wen kümmert’s schon, wenn’s schlampig wird? Ausser Libby !)
in einem echten Zelt schlafen
süße Frühstücksflocken & McDonald’s während der Woche essen (nicht bloß am Wochenende!)
mich bei Stella dafür entschuldigen, dass ich ihre Twirly Curls Barbie geklaut habe, & sie ihr zurückgeben
einen eigenen Garten mit Avocadobaum haben
mich bei Stella dafür entschuldigen, dass ich ihr Kresse-Tontierchen geklaut habe (und es aus Versehen vertrocknet ist)
Leo im Memory schlagen
wohltätige Zwecke unterstützen wie Libby (falls ich arm bin, wenn ich alt bin, Zeit spenden)
ein Heilmittel gegen Herzanfälle finden
Billy Warrington küssen (Clara + Billy = die grosse , ewige Liebe )
Dann war sie bereit, sich an die Arbeit zu machen, und ging auf der Suche nach Libby nach unten.
Eine hübsche Melodie erklang aus dem Musikzimmer und führte sie direkt zu ihrem Ziel. Bevor sie den Raum betrat, blieb sie in dem runden Türbogen aus poliertem Eichenholz stehen. Debussys »Claire de Lune« war immer eines von Libbys Lieblingsliedern gewesen, und Clara konnte sich daran erinnern, wie sie als Kind abends damit eingeschlafen war. Während sie die anmutigen Gesten ihrer Mutter beim Spielen betrachtete, dachte sie darüber nach, wie sehr Libby auf dem samtroten Klavierhocker in ihrem Element wirkte, wenn sie sich ganz sanft hin und her wiegte, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Irgendwie hatte ihre Mutter ihren Lebenszweck gefunden. Sie hatte genau erkannt, wo sie hingehörte, wie eine Katze, die perfekt auf ein Fenstersims passt. Clara fragte sich, ob auch sie eines Tages den auf unerklärliche Weise richtigen Platz in der Welt für sich finden würde. Sie seufzte traumverloren.
» Himmel! «, schrie Libby auf, als sie über die Schulter blickte. »Ich hatte keine Ahnung, dass du da stehst! Wie … lange hörst du denn schon zu?«
»Bloß ein, zwei Minuten.« Clara blieb in den Türrahmen gelehnt stehen. »Tut mir leid. Das klingt schön.«
»Na, dann komm doch rein«, sagte Libby mit einladender Geste. Sie hatte sich wieder gefangen und zeigte auf das Notenblatt vor sich. »Willst du die Seiten für mich umblättern? Wie in alten Zeiten?«
»Meine Güte, das ist so lange her, dass ich gar nicht weiß, ob ich noch Noten lesen kann. Aber danke für das Angebot …« Clara, die früher einmal Flöte gespielt hatte, dann aber gezwungen war aufzuhören, da sie ständig Ohnmachtsanfälle bekam, weil sie das Atmen vergaß, setzte sich aufs Sofa. »Darf ich dich eine Minute unterbrechen?«
»Natürlich.« Libby nahm neben ihr Platz. »Was gibt es? Soll ich dir ein Frühstück machen? Ich hätte ungefähr fünfzig Packungen gefrorene Heidelbeerwaffeln im Gefrierschrank in der Garage.«
» Fünfzig Packungen?« Clara zog die Augenbrauen hoch.
»Ich hab einen Werbesong für Wandas Waffeln gemacht.«
»Ah …« Clara kaute zögernd auf ihrer Lippe herum. »Wow. Nein, danke. Aber ich wollte dich was fragen. Und bitte hab keine Skrupel, nein zu sagen. Wirklich. Ich verspreche dir, ich verstehe es, wenn du dagegen bist. Ich weiß ja, was du von Unordnung hältst und Durcheinander und Krümeln und von Fusseln und Staub und Haaren und …«
»Ich unterbreche dich lieber, bevor du
Weitere Kostenlose Bücher