Die Liste der vergessenen Wünsche: Roman (German Edition)
eine Wunderkerze steckte, gaben sie sich darauf die Hand.
»Okay. Jetzt bin ich dran.« Sie brach ihren Glückskeks auseinander, während sie sich noch fragte, in was für eine Sache zum Teufel sie sich da soeben reingeritten hatte. Sie hatte keine Ahnung, wie sie diesen Lauf ohne Herz-Lungen-Reanimation hinter sich bringen sollte. Wenn sie bloß daran dachte, bekam sie schon Seitenstechen! Aber sie wusste, dass ihr Freund sie jetzt brauchte.
»Was steht drin?«, drängte Lincoln.
»Mal sehen …« Sie faltete das kleine Stück Papier auseinander und las vor: » Ein alter Freund ist besser als zwei neue .«
»Dagegen kann ich nichts sagen.« Lincoln sah sie an. »Wieso bekommst du eigentlich etwas mit Bedeutung, und ich bin bloß ein talentierter Läufer?«
Clara zwang sich zu einem Lächeln. Doch plötzlich war sie weit weg, in Gedanken versunken.
»Hey … Alles klar mit dir?«
»Ja«, sie seufzte und las ihren Glücksspruch erneut. »Ich muss bloß gerade an meine beste Freundin in Boston denken, mit der ich im Moment so eine Art Auszeit habe. Sonst nichts.«
»Warum habt ihr so eine Art Auszeit?«
Clara blickte sichtlich betrübt drein und schüttelte den Kopf. »Ach, das ist eine lange, komplizierte Geschichte. Es reicht wohl, wenn ich sage, dass es meine Schuld ist. Und das Blöde daran ist, dass ich es nicht geblickt habe, bis es zu spät war.«
»Schieß los, ich hab jede Menge Zeit.« Lincoln streckte seine langen Beine aus und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
»Bist du sicher?«, vergewisserte sich Clara. »Du müsstest es doch langsam satthaben, meinem Gejammer zuzuhören wie einer gesprungenen Platte.«
»Oder möchtest du lieber meinen neusten Dinosaurierwitz hören?«
»Äh, also, wir waren bei Tabitha stehen geblieben«, fuhr Clara schleunigst fort. »Es ist ja nicht so, dass ich wollte , dass meine Freundschaft zu Tabitha unter Sebastians Tod leidet. Ich kann dir gar nicht sagen, wie wunderbar sie nach dem Unfall war. Es verging kein Tag, an dem sie mich nicht angerufen oder vorbeigeschaut hätte, um nach mir zu sehen. Sie schloss mich immer in ihre Pläne mit ein und hat mich unzählige Male eingeladen mitzukommen. Natürlich habe ich immer abgelehnt.« Clara verdrehte die Augen. »Tabitha hat alles getan, mich zu unterstützen, Linc. Aber ich war so ein emotionales Wrack, dass ich es einfach nicht ertrug, unter Leute zu gehen. Nicht mal, wenn es sich dabei um meine engste Freundin handelte. Ich hab sie weggestoßen. Immer und immer und immer wieder. Bis sie schließlich an den Punkt kam, wo es ihr zu viel wurde.« Clara berichtete von ihrem schlimmen Zerwürfnis kurz vor Thanksgiving, als Tabitha, den Tränen nahe, erklärt hatte, dass man so, selbst wenn man trauerte, keine Freundin behandelte, geschweige denn eine angeblich beste Freundin. »Ach, und übrigens«, hatte sie schniefend gesagt, »ich habe mich verlobt, falls es dich interessieren sollte.« Clara hatte nicht einmal wahrgenommen, dass Tabitha mit irgendjemandem zusammen war, obwohl ihre Freundin Max regelmäßig erwähnt hatte.
»Autsch.« Lincolns Augen waren voller Verständnis. »Mir ging es nach Jessicas Tod genauso. Ich wollte auch nicht unter Leute. Es war einfach … zu hart.« Er schenkte sich noch etwas Tee ein. »Für die anderen ging das Leben wie gehabt weiter. Aber für mich war die Welt zusammengebrochen. Nichts mehr war wie vorher. Damit kam ich nicht klar.«
»Genau. Ich war so neben mir, dass ich nicht mal merkte, dass ich andere ausschloss. Obwohl Tabitha versucht hat, mir das klarzumachen. Heute verstehe ich sie.«
»Na ja, ist das nicht ein Schritt in die richtige Richtung?«, ermutigte Lincoln sie.
»Verdammt, sie war meine Trauzeugin! Und ich hab mich vollkommen von ihr abgewendet.« Beschämt beschloss Clara, nicht zu erzählen, wie Tabitha ihr Treffen auf einen Kaffee abgeblasen hatte, kurz bevor sie im Dezember nach Chicago zurückgekehrt war. Clara hatte darauf gehofft, etwas Schadensbegrenzung zu betreiben, bevor sie die Stadt verließ. Doch eine Stunde vor ihrem verabredeten Treffen im Café hatte Tabitha angerufen, behauptet, ihr sei »in letzter Minute ein Arbeitstermin« dazwischengekommen und sie müsse die Verabredung absagen. »Ich wünsche dir eine gute Reise, und schick mir doch mal eine E-Mail oder ruf mich von Chicago aus an … Wenn dir danach ist«, hatte Tabitha noch gemurmelt, bevor sie schnell aufgelegt hatte.
»Machen wir uns nichts vor, Trauer ist ziemlich schwer zu
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