Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
glühendsten Farben.
    Sie schloss mit der völlig überflüssigen Feststellung, er sei
    »ausnehmend reumütig«, »vollständig rehabilitiert«,
    »keine Bedrohung für die Gesellschaft« und sogar bereit, ein »hart arbeitender Bürger« zu werden.
    Was hatte das alles gekostet? Ich konnte nicht umhin, mir diese Frage zu stellen. Wie viel? Und wie lange hatten die Padgitts gebraucht, um die richtigen Taschen zu finden?
    Lucien war der Nächste. Da niemand – weder Gaddis, noch Sheriff McNatt, nicht einmal der arme Hank Hooten
    – da war, um ihm zu widersprechen oder ihn möglicherweise auch zu bremsen, fing er an zu fabulieren und die Fakten der Verbrechen zu verdrehen. Das betraf insbesondere die Aussage der Zeugin Lydia Vince, die dem Häftling ein »wasserdichtes« Alibi gegeben habe. In Luciens rekonstruierter Version des Prozesses hätten die Geschworenen Danny Padgitt um ein Haar freigesprochen.
    Ich hätte ihm am liebsten etwas an den Kopf geworfen und zu schreien angefangen. Vielleicht hätte er dann nicht ganz so unverschämt gelogen.
    Ich wollte brüllen: »Wie kann er bereuen, wenn er unschuldig ist?«
    Lucien hackte auf dem Prozess herum und jammerte, wie ungerecht das Verfahren gewesen sei. Nobel, wie er war, warf er sich sogar selbst vor, nicht ausdauernd genug auf eine Verlegung des Verhandlungsortes gedrängt zu haben, in einen anderen Teil des Staates, wo die Leute unvoreingenommen und verständiger gewesen wären. Als er endlich den Mund hielt, schienen zwei der Ausschussmitglieder zu schlafen.
    Danach sagte Mrs Padgitt aus. Sie sprach von den 371

    Briefen, die sie und ihr Sohn sich in den letzten acht langen Jahren geschrieben hätten. Seine Briefe hätten ihr gezeigt, dass er reifer geworden sei, dass sein Glaube gewachsen sei, dass er sich nach der Freiheit sehne, um seinen Mitmenschen dienen zu können.
    Wollte er ihnen etwa mit besserem Marihuana dienen?
    Oder vielleicht mit einem saubereren Maiswhiskey?
    Da Tränen erwartet wurden, gab sie uns ein paar Tränen.
    Es gehörte zur Show und schien nur wenig Wirkung auf die Mitglieder des Ausschusses zu haben. Als ich mir ihre Gesichter ansah, hatte ich den Eindruck, die Entscheidung war längst gefallen.
    Danny sagte als Letzter aus und machte seine Sache ganz gut. Er meisterte den schwierigen Balanceakt, seine Verbrechen zu leugnen und gleichzeitig Reue zu zeigen.
    »Ich habe aus meinen Fehlern gelernt«, sagte er, als wären Vergewaltigung und Mord lediglich kleine Indiskretionen, bei denen niemandem wehgetan wurde. »Ich bin an ihnen gewachsen.«

Im Gefängnis war er ein wahrer Wirbelwind an positiver Energie gewesen – er arbeitete freiwillig in der Bibliothek, sang im Chor mit, half beim Rodeo in Parchman, organisierte Teams, die in Schulen gingen und Jugendliche davon abhielten, zu Verbrechern zu werden.
    Zwei Mitglieder des Ausschusses hörten noch zu, eines schlief, die anderen beiden saßen in tranceartiger Meditation da und waren anscheinend hirntot.
    Danny vergoss zwar keine Tränen, aber er schloss mit einem leidenschaftlichen Appell und bat darum, freigelassen zu werden.
    »Wie viele Zeugen für die Gegenseite?«, verkündete Jeter.
    Ich stand auf, sah mich um, konnte niemanden aus Ford 372

    County entdecken und sagte: »Ich bin wohl der einzige.«
    »Dann beginnen Sie, Mr Traynor.«
    Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte, und wusste auch nicht, was vor einem solchen Gremium zulässig war und was nicht. Aber nach dem zu urteilen, was ich gerade gehört hatte, konnte ich hier alles sagen, was mir verdammt noch mal passte. Der alte Jeter würde mich zweifellos zurückpfeifen, falls ich verbotenes Terrain beträte.
    Ich sah die Mitglieder des Ausschusses an, versuchte mein Möglichstes, die bohrenden Blicke der Padgitts zu ignorieren, und begann mit einer außerordentlich anschaulichen Schilderung der Vergewaltigung und des Mordes. Ich ließ alles aus mir heraus, woran ich mich erinnern konnte, und betonte vor allem die Tatsache, dass die beiden Kinder das Verbrechen teilweise oder auch ganz miterlebt hatten.
    Währenddessen wartete ich darauf, dass Lucien protestieren würde, aber im Lager der Padgitts herrschte Schweigen. Die eben noch komatösen Ausschussmitglieder waren plötzlich hellwach, musterten mich prüfend und lauschten aufmerksam den grausigen Details des Mordes. Ich beschrieb die Wunden. Ich schilderte die herzzerreißende Szene, wie Rhoda in Mr Deece’ Armen gestorben war und zuvor noch gesagt hatte: »Es

Weitere Kostenlose Bücher