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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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das Wetter gut ist.« Sam war froh, etwas sagen zu können. »Als Kind war es für mich ein wunderbarer Ort. Jeder kennt jeden. Als ich neun war, habe ich mit einem Baseball die Scheibe eines Autos zertrümmert. Ich bin weggelaufen und schnurstracks nach Hause gerannt, aber meine Mutter wartete schon auf der Veranda auf mich. Sie wusste bereits alles. Ich musste zu dem Auto zurücklaufen, meine Tat gestehen und versprechen, die Scheibe zu ersetzen.«
    »Und das hast du auch getan«, warf Esau ein.
    »Ich habe sechs Monate gearbeitet, um die hundertzwanzig Mäuse bezahlen zu können.«
    Miss Callie hätte fast gelächelt, aber ihre Gedanken waren bei Lenny Fargarson. Obwohl sie ihn seit neun Jahren nicht gesehen hatte, hatte sie viele Erinnerungen an ihn. Sein Tod bedrückte sie, aber er machte ihr auch Angst.
    Esau bereitete Eistee mit Zitrone zu. Als er wieder auf die Veranda kam, schob er eine doppelläufige Schrotflinte hinter den Schaukelstuhl. Dort hatte er sie in Reichweite, und Miss Callie konnte sie nicht sehen.
    Nach ein paar Stunden waren nicht mehr so viele Passanten unterwegs, und die Nachbarn zogen sich in ihre Häuser zurück. Ich kam zu dem Schluss, dass Miss Callie ein schwieriges Ziel sein würde, wenn sie in ihrem Haus blieb. Daneben und gegenüber auf der anderen Straßenseite standen weitere Häuser. Es gab keine Hügel, Türme oder unbebaute Grundstücke in Sichtweite.
    Das erwähnte ich natürlich nicht, aber ich war sicher, dass Sam und Esau ähnliche Gedanken im Kopf herum-gingen. Als Miss Callie schlafen gehen wollte, verabschiedete ich mich und fuhr zum Gefängnis zurück.
    Dort wimmelte es nur so von Deputys, und es herrschte 411

    jene jahrmarktähnliche Atmosphäre, die nur ein guter Mord mit sich brachte. Ich musste an die Nacht vor neun Jahren denken, in der man Danny Padgitt verhaftet und mit Blutflecken auf dem Hemd hereingeschleppt hatte.
    Nur zwei der Geschworenen waren unauffindbar gewesen. Beide waren umgezogen, und Sheriff McNatt versuchte gerade, sie aufzuspüren. Er erkundigte sich nach Miss Callie, und ich sagte, sie sei sicher. Dass Sam wieder zu Hause war, erwähnte ich nicht.
    Er schloss die Tür zu seinem Büro und sagte, dass er mich um einen Gefallen bitten wolle. »Würden Sie morgen mit Lucien Wilbanks reden?«
    »Warum ich?«
    »Ich würde es ja selbst tun, aber ich kann den Mistkerl nicht ausstehen, und ihm geht es mit mir genauso.«
    »Alle hassen Lucien«, sagte ich.
    »Bis auf …«
    »Bis auf … Harry Rex?«
    »Harry Rex. Wäre es nicht sinnvoll, wenn Sie und Harry Rex mit Lucien reden? Finden Sie heraus, ob er bereit ist, als Vermittler gegenüber den Padgitts zu fungieren.
    Schließlich werde ich mich irgendwann mit Danny unterhalten müssen, nicht wahr?«
    »Ich vermute, ja. Sie sind der Sheriff.«
    »Plaudern Sie ein wenig mit Wilbanks, das ist alles.
    Strecken Sie die Fühler aus. Wenn es gut läuft, werde ich vielleicht auch mit ihm sprechen. Mischt sich der Sheriff gleich am Anfang ein, ist das was anderes.«
    »Ich würde mich lieber auspeitschen lassen.«
    »Aber Sie tun es?«
    »Lassen Sie mich drüber schlafen.«
    412

    Auch Harry Rex war von der Idee nicht gerade begeistert. Warum sollten wir uns in die Sache hinein-ziehen lassen? Wir sprachen beim Frühstück im Café darüber, was für uns beide eine ungewohnte Mahlzeit war, aber schließlich wollten wir die erste Welle von Gerüchten nicht verpassen. Es war keine Überraschung, dass das Café bis auf den letzten Platz besetzt war mit Experten, die eifrig alle möglichen Details und Theorien über den Mord an Fargarson zum Besten gaben. Wir hörten zu und sagten nicht viel. Gegen 8.30 Uhr verließen wir das Café.
    Wilbanks’ Gebäude lag zwei Türen weiter. Als wir daran vorbeigingen, sagte ich: »Wir machen es.«
    Vor Lucien war die Familie Wilbanks eine Stütze der Gesellschaft in Clanton gewesen und hatte großen Einfluss in der Wirtschaft und im Justizwesen gehabt. In den goldenen Jahren des letzten Jahrhunderts hatten die Wilbanks Land und Banken besessen, und alle Männer der Familie hatten Jura studiert, einige von ihnen sogar an Eliteunis. Der Abstieg hatte vor vielen Jahren begonnen.
    Lucien war der letzte männliche Wilbanks mit ein wenig Ansehen, doch es bestand eine recht große Chance, dass man ihm die Anwaltslizenz entzog.
    Ethel Twitty, Luciens langjährige Sekretärin, begrüßte uns barsch und grinste Harry Rex spöttisch an. Er flüsterte mir zu: »Sie ist die bissigste Stute in

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