Die Liste
teilzunehm
M
en. Sam und Esau
versuchten, es ihr auszureden, aber wie immer war jede Diskussion zwecklos, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Ich sprach mit Sheriff McNatt darüber, der die Situation mit knappen Worten zusammenfasste: »Sie ist schließlich erwachsen.« Soweit er wusste, wollte keiner der anderen Geschworenen zur Beerdigung kommen, aber sicher war er nicht. So etwas ließ sich nie genau sagen.
Ich rief auch Pastor Cooper an, um ihn vorzuwarnen.
»Wir werden sie in unserer kleinen Kirche herzlich auf-nehmen. Aber sie soll etwas früher kommen«, antwortete er.
Bis auf wenige Ausnahmen gingen Schwarze und Weiße in Ford County nicht zusammen in einen Gottesdienst. Sie glaubten mit Inbrunst an ein und denselben Gott, und doch huldigten sie ihm auf sehr unterschiedliche Art und Weise.
Die Mehrheit der Weißen erwartete, sonntags fünf Minuten nach Mittag aus der Kirche zu kommen, um pünktlich um 12.30 Uhr mit dem Essen beginnen zu können. Den Schwarzen war es im Grunde genommen egal, wann der Gottesdienst zu Ende war. Auf meiner Kirchentour hatte ich siebenundzwanzig schwarze Gemeinden besucht, und kein einziges Mal war der Segen vor 13.30 Uhr erteilt worden – üblich war fünfzehn Uhr.
Einige Gottesdienste dauerten den ganzen Tag, mit einer kurzen Pause für das Mittagessen in der Gemeindehalle, nach dem alle wieder in die Kirche gingen und mit der nächsten Runde begannen.
Ein derartiger Eifer hätte einen weißen Christen außer 420
Gefecht gesetzt.
Doch Beerdigungen waren etwas anderes. Als Miss Callie mit Sam und Esau die Kirche der Maranatha-Urbaptisten betrat, gab es ein paar neugierige Blicke. Das war alles. Wäre sie allerdings an einem Sonntagmorgen zum normalen Gottesdienst erschienen, hätte man ihr das übel genommen.
Wir kamen fünfundvierzig Minuten zu früh, aber die hübsche kleine Kirche war schon fast bis auf den letzten Platz besetzt. Durch die hohen, offenen Fenster beobachtete ich, wie immer mehr Autos anrollten. In eine der alten Eichen hatte man einen Lautsprecher gehängt, um den sich eine große Menschenmenge versammelte, nachdem die Kirche voll war. Der Chor fing an zu singen, und sofort flossen Tränen. Pastor Coopers Predigt war eine behutsame Warnung an uns, nicht infrage zu stellen, warum guten Menschen Schlechtes widerfuhr. Unser Leben sei in der Hand Gottes, und obwohl wir zu klein im Geiste seien, um Seine unendliche Weisheit und Größe zu verstehen, werde Er sich uns eines Tages offenbaren.
Lenny sei jetzt dort, wo er hingehöre, bei unserem Herrn.
Er wurde hinter der Kirche begraben, in einem idylli-schen Friedhof, der von einem schmiedeeisernen Zaun umgeben war. Miss Callie klammerte sich an meine Hand und betete inbrünstig, als der Sarg in die Erde gelassen wurde. Eine Solistin sang »Amazing Grace«, dann dankte Pastor Cooper den Anwesenden für ihr Kommen. In der Gemeindehalle hinter der Kirche wurden Punsch und Gebäck gereicht, und die meisten blieben noch ein paar Minuten, um sich miteinander zu unterhalten oder Mr und Mrs Fargarson ihr Beileid auszusprechen.
Sheriff McNatt suchte meinen Blick und nickte, als wollte er mit mir reden. Wir gingen vor die Kirche, wo uns niemand hören konnte. Er war in Uniform und kaute 421
wie immer auf einem Zahnstocher herum. »Wie ist es bei Wilbanks gelaufen?«
»Nicht gut. Ich habe nur einmal mit ihm gesprochen.
Harry Rex ist gestern noch mal zu ihm gegangen, hat aber nichts erreicht.«
»Dann muss ich wohl mal mit ihm reden.«
»Sie können es ja versuchen, aber es wird nichts bringen.«
Der Zahnstocher wechselte von einem Mundwinkel in den anderen. Es erinnerte mich an Harry Rex, der seine Zigarreim Mund herumschieben konnte, ohne beim Sprechen eine Pause zu machen. »Was anderes haben wir nicht. Wir haben den Wald um das Haus herum durchkämmt. Keine Fußabdrücke, keine anderen Spuren.
Nichts. Damit wir uns richtig verstehen – das wird nicht gedruckt.«
»In Ordnung.«
»Durch den Wald beim Haus der Fargarsons ziehen sich ein paar alte Forstwege, auf denen man früher Holz abtransportiert hat. Wir haben jeden Quadratzentimeter davon abgesucht, aber rein gar nichts gefunden.«
»Dann ist Ihre einzige Spur also eine Kugel.«
»Eine Kugel und eine Leiche.«
»Hat jemand Danny Padgitt gesehen?«
»Bis jetzt noch nicht. Ich habe zwei Wagen auf dem 401
postiert, da, wo der Highway auf die Insel führt. Sie sehen zwar nicht alles, aber wenigstens wissen die Padgitts, dass wir ein
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