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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Feld der geeigneten Geschworenen auf neunundsiebzig reduziert.
    Miss Callie saß jetzt in der zweiten Reihe, kein guter Platz, wenn sie nicht ausgewählt werden wollte. Richter Loopus übergab Ernie Gaddis das Wort, der sich den potenziellen Geschworenen erneut vorstellte und ausführlich erklärte, dass er den Staat Mississippi, die Steuerzahler und die Bürger vertrete. Diese hätten ihn gewählt, um diejenigen zu verfolgen, die Verbrechen begingen. Er sei der Anwalt des Volkes.
    Seine Aufgabe sei die strafrechtliche Verfolgung von Mr Danny Padgitt, der von einer Anklagejury, die aus Mitbürgern bestanden habe, der Vergewaltigung und des Mordes an Rhoda Kassellaw angeklagt worden sei. Er wollte wissen, ob jemand möglicherweise nicht von dem Mord gehört hatte. Nicht eine einzige Hand hob sich.
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    Ernie Gaddis führte seit dreißig Jahren Geschworene in ihr Amt ein. Er gab sich freundlich und sanft. Man hatte das Gefühl, dass man ihm selbst in einer öffentlichen Verhandlung so gut wie alles anvertrauen konnte. Dann sprach er das Thema Einschüchterung an. Hat jemand, der nicht zu Ihrer Familie gehört, wegen dieses Falles Kontakt zu Ihnen aufgenommen? Ein Fremder? Hat ein Freund versucht, Ihre Meinungsbildung zu beeinflussen? Sie haben Ihre Vorladung per Post erhalten; die Geschwore-nenliste ist versiegelt. Eigentlich kann niemand wissen, dass Sie zu den potenziellen Geschworenen gehören. Hat jemand Ihnen gegenüber davon gesprochen? Hat jemand Sie bedroht? Ihnen etwas angeboten? Im Sitzungssaal war es sehr still, als Gaddis diese Fragen stellte.
    Keiner hob die Hand, was auch niemand erwartet hatte.
    Aber Gaddis war es gelungen, deutlich zu machen, dass sich die Padgitts in den dunklen Gefilden von Ford County bewegten. Er ließ sie noch düsterer wirken und vermittelte den Eindruck, dass er als Bezirksstaatsanwalt und Anwalt des Volkes die Wahrheit kannte.
    Sein Finale leitete er mit einer Frage ein, die durch die Luft schnitt wie ein Peitschenknall. »Ist Ihnen allen klar, dass die Beeinflussung von Geschworenen ein Verbrechen ist?«
    Alle schienen das zu wissen.
    »Und dass ich als Vertreter der Anklage jeden, der versucht, die Geschworenen zu beeinflussen, verfolgen und vor Gericht bringen werde? Dass ich alles tun werde, damit eine solche Person verurteilt wird? Ist Ihnen das klar?«
    Als Gaddis fertig war, hatten wir alle das Gefühl, wir hätten uns beeinflussen lassen. Jeder, der über den Fall gesprochen hatte – und das war natürlich jeder im County –, 171

    fürchtete, er könnte selbst jederzeit von Gaddis angeklagt und ins Grab gebracht werden.
    »Der versteht sein Handwerk«, flüsterte der Reporter aus Tupelo.
    Lucien Wilbanks begann mit einer langatmigen und ziemlich langweiligen Belehrung über die Unschuldsvermutung als Grundlage der amerikanischen Recht-sprechung. Was auch immer die Geschworenen in der Lokalzeitung gelesen haben mochten – dabei warf er einen verächtlichen Blick in meine Richtung –, sein Mandant, der hier im Saal sitze, sei ein unschuldiger Mann. Und wenn irgendjemand anders darüber denke, sei diese Person verpflichtet, die Hand zu heben und das zu sagen.
    Keine Hand zu sehen. »Gut. Durch Ihr Schweigen erklären Sie gegenüber dem Gericht, dass Sie, Sie alle, in diesem Augenblick Danny Padgitt ansehen und sagen können, dass er unschuldig ist. Können Sie das?« Er ritt viel zu lange darauf herum und wechselte dann zur Beweislast, wobei er sich darüber erging, dass der Staat vor der gewaltigen Herausforderung stehe zu beweisen, dass es keinen berechtigten Zweifel an der Schuld seines Mandanten gebe.
    Diese beiden geheiligten Rechte zum Schutz des Angeklagten – die Unschuldsvermutung und der über jeden Zweifel erhabene Beweis – verdankten wir alle, einschließlich der Geschworenen, den weisen Vätern unserer Verfassung und der ersten zehn Verfassungszusätze.
    Es war bald Mittag, und jeder sehnte sich nach einer Pause. Wilbanks, dem das offenbar entgangen war, redete immer weiter. Als er sich schließlich um Viertel nach zwölf setzte, erklärte Richter Loopus, er sei am Verhungern, und unterbrach die Verhandlung bis vierzehn Uhr.
    Baggy und ich aßen oben im Trinkzimmer ein Sandwich 172

    mit ein paar Freunden von ihm, drei ausgebrannten, alternden Anwälten, die seit Jahren keinen Prozess verpasst hatten. Eigentlich wollte Baggy ein Glas Whiskey, litt aber aus unerfindlichen Gründen unter einem Anfall von Pflichtbewusstsein. Seine Kumpels wurden nicht

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