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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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unten.
    »Hier oben«, brüllte ich zurück.
    Er polterte die Treppe herauf und ließ sich auf seinen Lieblingsstuhl fallen. »Was halten Sie von den Geschworenen?«, fragte er. Er wirkte vollkommen nüchtern.
    »Ich kenne nur eine von ihnen«, sagte ich. »Wie viele kennen Sie?«
    »Sieben.«
    »Glauben Sie, die haben Miss Callie wegen meiner Reportage ausgewählt?«
    »Klar«, sagte er mit seiner üblichen unverblümten Ehrlichkeit. »Die Frau war Stadtgespräch. Beide Seiten denken, sie kennen sie. Wir schreiben das Jahr 1970, und hier hat es noch nie einen schwarzen Geschworenen gegeben. Da ist sie so gut wie jeder andere. Macht Ihnen das Sorgen?«
    »Irgendwie schon.«
    »Wieso? Geschworene zu sein ist nichts Schlechtes.
    Wird Zeit, dass Schwarze solche Ämter auch übernehmen.
    Sie und ihr Mann haben doch immer gegen Rassen-schranken gekämpft. Ist ja auch nicht gefährlich. Na ja, normalerweise ist es nicht gefährlich.«
    Ich hatte nicht mit Miss Callie gesprochen und würde dazu auch erst nach dem Prozess Gelegenheit haben. Auf Anordnung von Richter Loopus mussten sich die Geschworenen während der gesamten Woche isoliert in einem Motel in einer anderen Stadt aufhalten.
    »Sind irgendwelche verdächtigen Gestalten unter den Geschworenen?«, fragte ich.
    »Vielleicht. Der verkrüppelte Junge aus der Gegend von Dumas könnte zum Problem werden. Hat sich in einer Sägemühle, die seinem Onkel gehört, den Rücken verletzt.
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    Der Onkel hat vor vielen Jahren Holz an die Padgitts verkauft. Der Junge ist ein bisschen schwierig. Gaddis wollte ihn rauswerfen, aber er hatte schon zu viele Kandidaten abgelehnt.«
    Der »verkrüppelte Junge« ging am Stock und war mindestens fünfundzwanzig. Für Harry Rex war jeder, der jünger war als er selbst, ein »Junge«. Das galt besonders für mich.
    »Aber bei den Padgitts weiß man nie«, fuhr er fort.
    »Vielleicht haben sie inzwischen schon die Hälfte der Geschworenen gekauft.«
    »Das glauben Sie doch nicht wirklich, oder?«
    »Nein, aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die Geschworenen zu keiner Entscheidung kommen.
    Möglicherweise braucht Gaddis zwei bis drei Anläufe, bis er den Jungen kriegt.«
    »Aber er kommt doch ins Gefängnis, oder?« Ich fand den Gedanken beängstigend, dass Danny Padgitt straffrei ausgehen könnte. Schließlich hatte ich in Clanton investiert, und falls die Justiz hier derart korrupt war, wollte ich nicht bleiben.
    »Dem geht es an den Kragen.«
    »Gut. Die Todesstrafe?«
    »Darauf würde ich wetten, auch wenn es vielleicht dauert. Wir sind hier mitten im frommen Süden, Willie.
    Auge um Auge und so. Loopus wird tun, was er kann, damit Gaddis sein Todesurteil bekommt.«
    Dann beging ich den Fehler, Harry Rex zu fragen, warum er so spät noch arbeite. Ein Scheidungsmandant war heimlich von einer Geschäftsreise zurückgekehrt, um seine Frau mit ihrem Liebhaber zu überraschen.
    Gemeinsam mit seinem Mandanten hatte Harry Rex die 177

    letzten beiden Stunden in einem geliehenen Pick-up hinter einem Stundenmotel nördlich der Stadt verbracht. Wie sich herausstellte, hatte die Ehefrau zwei Liebhaber. Es dauerte eine halbe Stunde, bis die Geschichte erzählt war.
    178

    15
    m Dienstag gingen zwei Stunden dadurch verloren, dass sich die Anwälte im
    A
    Amtszimmer des Richters
    um zwei heftig umstrittene Anträge zankten.
    »Wahrscheinlich geht es um die Fotos«, wiederholte Baggy ständig. »Wegen der Fotos gibt es immer Ärger.«
    Da wir an diesem Privatkrieg nicht beteiligt waren, warteten wir ungeduldig im Sitzungssaal, um unsere Plätze nicht zu verlieren. Ich verfasste seitenlang nutzlose Notizen in einer Krakelschrift, die jedem altgedienten Reporter Ehre gemacht hätte. Das Kritzeln lenkte mich ab und verhinderte, dass ich den allgegenwärtigen Blicken der Padgitts begegnete. Da die Geschworenen nicht im Saal waren, richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf die Zuschauer und besonders auf mich.
    Die Geschworenen waren im Beratungszimmer eingeschlossen, dessen Türen von Deputys bewacht wurden, als könnte sich jemand durch einen Angriff auf sie einen Vorteil verschaffen. Das Zimmer lag im ersten Stock und hatte große Fenster, die auf die östliche Seite der Rasenfläche vor dem Gerichtsgebäude hinausgingen.
    Unter einem der Fenster war eine lärmende Klimaanlage montiert, die überall auf dem Clanton Square zu hören war, wenn sie auf vollen Touren lief. Ich dachte an Miss Callie und ihren Blutdruck. Sie las bestimmt gerade in der

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