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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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den Blick und sah dort zwei Mädchen, die gegen zwei Jungen spielten. Durch die Mädchen wirkte die Szene besonders idyllisch, aber mich interessierten vor allem die großen Flaschen mit kaltem Wasser, aus denen sie tranken, wann immer sie wollten.
    Ich gab Football auf und widmete mich stattdessen dem Tennis und den Mädchen, was ich niemals auch nur für einen Augenblick bereute. Da die Spiele an meiner Schule am Samstagnachmittag stattfanden, war mir die Religion des Freitagabendfootballs fremd.
    Ich ließ mich gern bekehren.

    Als sich die Cougars zum ersten Training trafen, waren Bigmouth und Wiley Meek dabei. Wir druckten auf der Titelseite ein großes Foto von vier Spielern, zwei Weißen und zwei Schwarzen, und ein weiteres vom Trainerteam, zu dem auch ein schwarzer Assistent gehörte. Bigmouth verfasste Kolumnen über das Team und seine aktuellen Spieler sowie mögliche Kandidaten. Und das war nur die 251

    erste Trainingswoche!
    Wir berichteten über den Unterrichtsbeginn in den Schulen, druckten Interviews mit Schülern, Lehrern und Verwaltungsangestellten. Unsere Berichterstattung war eindeutig positiv gefärbt. Allerdings war in Clanton auch wenig von den Rassenunruhen zu spüren, die den tiefen Süden erschütterten, als die Schulen in jenem August öffneten.
    Die Times veröffentlichte ausführliche Berichte über die Cheerleader, die Band, die Teams der Junior High – was uns nur gerade einfiel. Und zu jedem Bericht gehörten mehrere Fotos. Ich weiß nicht, wie viele Kinder nicht in unserer Zeitung erschienen, aber es können nicht viele gewesen sein.
    Das erste Footballmatch war ein Spiel gegen Karaway, das jedes Jahr in familiärer Atmosphäre stattfand. Obwohl die Stadt viel kleiner war als Clanton, hatte sie den deutlich besseren Trainer. Ich saß neben Harry Rex, und wir brüllten uns die Seele aus dem Leib. Das Spiel war ausverkauft, das Publikum überwiegend weiß.
    Aber diese Weißen, die sich so erbittert dagegen gewehrt hatten, Schwarze in ihre Schulen zu lassen, schienen an jenem Freitagabend wie verwandelt. Im ersten Viertel des Spiels wurde ein Star geboren, als Ricky Patterson, ein winziger Schwarzer, der offenbar fliegen konnte, den Ball in die Finger bekam. Beim ersten Mal lief er achtzig Yards, beim zweiten schaffte er fünfundvierzig. Von da an erhob sich jedes Mal, wenn ihm jemand den Ball zuwarf, das gesamte Publikum und feuerte ihn an. Sechs Wochen nach der Aufhebung der Rassentrennung in der Stadt sah ich, wie engstirnige, intolerante Rednecks wie die Wahnsinnigen brüllten und auf und ab sprangen, sobald Ricky den Ball bekam.
    252

    Clanton gewann das äußerst spannende Match mit vierunddreißig zu dreißig, und das nutzten wir schamlos aus. Unsere Titelseite befasste sich ausschließlich mit Football. Wir führten sofort eine Wahl zum Spieler der Woche ein, die mit einem Preisgeld von hundert Dollar dotiert war, und eröffneten außerdem einen geheimnis-vollen Fonds für Stipendien, den wir erst nach Monaten richtig organisiert hatten. Ricky war unser erster Preis-träger und musste als solcher natürlich interviewt und fotografiert werden.
    Als Clanton seine ersten vier Spiele gewann, war die Times zur Stelle, um die Begeisterung anzuheizen. Unsere Auflage erreichte fünfeinhalbtausend.

    An einem besonders heißen Tag Anfang September schlenderte ich auf dem Weg von meinem Büro zur Bank über den Clanton Square. Ich trug meine übliche Kleidung
    – verblichene Jeans, zerknittertes Baumwollhemd mit Button-down-Kragen und aufgerollten Ärmeln, Halbschuhe ohne Socken. Als vierundzwanzigjähriger Unternehmer gewöhnte ich mich ganz allmählich daran, dass ich nicht mehr am College war, sondern im Berufsleben stand. Aber ich hatte immer noch lange Haare und kleidete mich wie ein Student. Im Allgemeinen verschwendete ich kaum einen Gedanken daran, was ich trug und welchen Eindruck ich hinterließ.
    Diese Sorglosigkeit wurde nicht von allen geteilt.
    Mr Mitlo fing mich auf dem Bürgersteig ab und schob mich in sein Geschäft für Herrenartikel. »Ich habe auf Sie gewartet«, sagte er mit einem starken Akzent, der für Clanton höchst ungewöhnlich war. Mitlo war Ungar und hatte ein bewegtes Leben hinter sich. Angeblich hatte er bei seiner Flucht aus Europa ein oder zwei Kinder 253

    zurücklassen müssen. Er stand auf meiner Liste der Mitbürger, über die ich berichten wollte, sobald die Footballsaison vorbei war.
    »Sehen Sie sich bloß an!«, zischte er, nachdem er mich zu

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