Die Liste
einem Ständer mit Gürteln direkt hinter der Tür gedrängt hatte. Doch er lächelte, und bei einem Ausländer ist man gern geneigt, Grobheit mangelnden Sprach-kenntnissen zuzuschreiben.
Ich sah mich an. Wo lag das Problem?
Offenbar gab es deren viele. »Sie haben einen Beruf«, belehrte er mich. »Sie sind ein sehr bedeutender Mann in dieser Stadt, und Sie kleiden sich wie, äh, na ja …« Er kratzte sich das bärtige Kinn, als suchte er nach der passenden Beleidigung.
Ich versuchte, ihm zu helfen. »Ein Student?«
»Nein.« Er drohte mit dem Zeigefinger, als hätte noch nie ein Student dermaßen schlecht ausgesehen. Dann gab er es auf, mich abzukanzeln, und fuhr mit seiner Belehrung fort. »Sie sind einzigartig – wie viele Menschen besitzen eine Zeitung? Sie sind gebildet, das gibt es hier nicht oft. Und aus dem Norden! Auch wenn Sie jung sind, sollten Sie nicht so … so unreif aussehen. Wir müssen an Ihrem Image arbeiten.«
Und so gingen wir an die Arbeit. Nicht dass ich eine Wahl gehabt hätte. Mr Mitlo inserierte häufig in der Times, sodass ich ihn unmöglich vor den Kopf stoßen konnte. Außerdem hatte er nicht Unrecht. Meine Studententage und die Revolution waren vorüber. Ich hatte Vietnam, die Sechzigerjahre und das College hinter mir gelassen, und auch wenn ich noch nicht so weit war, eine Familie zu gründen, fing ich an, mich allmählich älter zu fühlen.
»Sie müssen einen Anzug tragen«, entschied er, während 254
er die Kleiderständer durchging. Mitlo schreckte nicht davor zurück, in aller Öffentlichkeit einen Bankdirektor auf ein nicht zum Anzug passendes Hemd oder eine trostlose Krawatte hinzuweisen. Mit Harry Rex kam er überhaupt nicht aus.
Ich wollte auf keinen Fall anfangen, graue Anzüge und Schuhe mit gebogener Kappe zu tragen. Aber er holte einen hellblauen Seersuckeranzug hervor, fand ein weißes Hemd und wählte mit sicherer Hand eine passende Fliege mit roten und goldenen Streifen aus. »Probieren Sie das hier«, sagte er dann. »Da drüben!« Damit deutete er auf eine Umkleidekabine. Zum Glück war der Laden leer. Mir blieb keine Wahl.
Der Fliege war ich nicht gewachsen. Mitlo griff danach und hatte sie mit ein paar geschickten Bewegungen innerhalb von Sekunden gebunden. »Viel besser«, sagte er, während er das Ergebnis studierte. Ich betrachtete mich lange im Spiegel. Ganz überzeugt war ich nicht, aber ich hatte an Persönlichkeit und Individualität gewonnen.
Ob ich es wollte oder nicht, diese Ausstattung würde in meinen Besitz übergehen, und ich musste sie zumindest einmal tragen.
Als Krönung des Ganzen fand er einen weißen Panama-hut, der wie angegossen auf mein struppiges Haupt passte.
Während er ihn zurechtrückte, zupfte er an einer Strähne über meinem Ohr und sagte: »Zu viele Haare. Sie sind jetzt Herausgeber einer Zeitung. Schneiden Sie sie ab.«
Er passte Hose und Jackett an und bügelte das Hemd, und am folgenden Tag holte ich meine neue Ausstattung ab. Eigentlich wollte ich den Anzug nur mit nach Hause nehmen und in aller Ruhe auf einen Tag warten, an dem in der Stadt nicht viel los war. Dann würde ich ihn anziehen und damit direkt zu Mitlos Laden gehen, damit er mich in 255
seiner Kreation sah.
Doch Mitlo hatte selbstverständlich andere Pläne. Er bestand darauf, dass ich alles anprobierte und, so ausstaffiert, um den Clanton Square marschierte, um die Komplimente meiner Mitbürger entgegenzunehmen.
»Ich habe es aber eilig«, sagte ich. Der Chancery Court tagte, und in der Innenstadt war einiges los.
»Ich bestehe darauf«, verkündete er dramatisch, wobei er mir mit dem Finger drohte. Widerstand war zwecklos. Er rückte den Hut zurecht und verlieh mir den letzten Schliff mit einer langen schwarzen Zigarre, die er anschnitt, mir in den Mund steckte und mit einem Streichholz anzündete.
»Eine beeindruckende Persönlichkeit«, sagte er stolz. »Der einzige Verleger der Stadt. Ab mit Ihnen.«
Ich legte die Hälfte des ersten Blocks zurück, ohne dass mich jemand erkannt hätte. Zwei Farmer vor dem Futtermittelgeschäft warfen mir befremdete Blicke zu, aber schließlich gefiel es mir auch nicht, wie sie sich anzogen. Mit der Zigarre fühlte ich mich wie Harry Rex.
Allerdings brannte meine und war sehr stark. Ich eilte an seiner Kanzlei vorbei. Mrs Gladys Wilkins führte die Versicherungsagentur ihres Mannes. Sie war um die vierzig, bildhübsch und immer gut gekleidet. Als sie mich sah, blieb sie wie angewurzelt stehen. »Willie
Weitere Kostenlose Bücher