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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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hatte und hier weder Familie besaß, noch etwas Besonderes geleistet hatte, war kaum ein geeignetes Objekt.
    Wenn ich die Geschichte aufbauschte, würde ich nur die Bevölkerung beunruhigen und damit den Padgitts helfen, Angst und Schrecken zu verbreiten. Denn jeder, der von dem Mord gehört hatte, war davon überzeugt, dass die Padgitts dahintersteckten. Ignorierte ich den Vorfall dagegen, hieße das, dass ich ein Angsthase wäre, der seiner Verantwortung als Journalist nicht gerecht würde.
    Baggy wollte die Story auf der Titelseite bringen, aber dort war kein Platz mehr, nachdem ich meinen Abschied von Mr Caudle verfasst hatte. Ich druckte sie oben auf Seite drei unter der Schlagzeile ZEUGE IM PADGITT-PROZESS IN TISHOMINGO COUNTY ERMORDET.
    Zuerst hatte ich MALCOM VINCE IN TISHOMINGO
    COUNTY ERMORDET schreiben wollen, aber Baggy hatte mich davon überzeugt, dass der Name »Padgitt« mit dem Wort »ermordet« in der Schlagzeile erscheinen sollte.
    262

    Der Artikel war dreihundert Wörter lang.
    Ich fuhr nach Corinth, um dort herumzuschnüffeln.
    Harry Rex hatte mir den Namen des Scheidungsanwalts von Malcolm Vince genannt. Es handelte sich um einen gewissen Pud Ferryman, der dort in der Gegend praktizierte. Sein Büro befand sich in der Main Street, zwischen einem Herrenfriseur und einer chinesischen Näherin. Als ich die Tür öffnete, wusste ich sofort, dass Mr Ferryman der erfolgloseste Anwalt war, den ich je gesehen hatte. Sein Büro stank nach verlorenen Prozessen, unzufriedenen Mandanten und unbezahlten Rechnungen.
    Der Teppich war fleckig und abgewetzt, das Mobiliar stammte aus den Fünfzigerjahren. Ein stinkender Nebel aus altem und neuem Zigarettenrauch hing in Schichten gefährlich dicht über meinem Kopf.
    Mr Ferryman selbst wirkte alles andere als wohlhabend.
    Er war etwa fünfundvierzig, hatte einen Bierbauch, war ungepflegt, unrasiert und sah mich aus roten Augen an.
    Der letzte Kater zeigte offenbar noch seine Nachwirkungen. Er teilte mir mit, er sei Scheidungs- und Immobilienanwalt, was mich offenbar beeindrucken sollte.
    Entweder waren seine Honorare zu niedrig, oder er zog Kunden an, die wenig besaßen, das sie verkaufen oder um das sie sich streiten konnten.
    Er habe Malcolm Vince seit einem Monat nicht gesehen, sagte er, während er indem Papierberg, der sich auf seinem Schreibtisch türmte, nach einer Akte suchte. Der Scheidungsantrag war nie gestellt worden. Seine Versuche, mit Lydias Anwalt zu einer einvernehmlichen Regelung zu kommen, waren im Sande verlaufen. »Die hat sich abgesetzt.«
    »Wie bitte?«
    »Sie ist weg. Nach dem Prozess bei euch hat sie ihre 263

    Sachen gepackt und ist verschwunden, zusammen mit dem Kind.«
    Lydia Vince war mir im Grunde egal. Viel mehr interessierte mich, wer Malcolm erschossen hatte. Ferryman äußerte ein paar vage Theorien, die jedoch nicht einmal den einfachsten Fragen standhielten. Er erinnerte mich an Baggy – jemand, der sich auf lokalen juristischen Klatsch und Tratsch spezialisiert hatte und selbst Gerüchte in die Welt setzte, wenn er nicht jede Stunde ein neues hörte.
    Lydia Vince hatte keine Liebhaber oder Brüder und auch sonst niemanden, der Malcolm wegen einer schmutzigen Scheidung hätte erschießen wollen. Außerdem gab es ja kein Scheidungsverfahren. Die Streitereien hatten noch nicht einmal angefangen!
    Ferryman wirkte wie jemand, der lieber den ganzen Tag schwätzte und Lügen verbreitete, als sich um seine Akten zu kümmern. Ich hielt es fast eine Stunde in seinem Büro aus, und als es mir schließlich gelungen war zu entkommen, rannte ich geradezu nach draußen an die frische Luft.
    Ich fuhr die dreißig Minuten nach Iuka, dem Verwaltungssitz von Tishomingo County, wo ich Sheriff Spinner gerade rechtzeitig antraf, um ihn zum Mittagessen einzuladen. Bei Grillhähnchen in einem überfüllten Restaurant informierte er mich über den aktuellen Stand der Ermittlungen in dem Mordfall. Es war eine saubere Arbeit gewesen, und der Mörder musste die Gegend gut kennen. Sie hatten nichts gefunden – keine Fußspuren, keine Patronenhülsen, gar nichts. Bei der Waffe handelte es sich um eine 44er Magnum, und die beiden Schüsse hatten Vince praktisch den Kopf weggerissen. Zur Veranschaulichung reichte er mir seinen Dienstrevolver.
    »Das ist eine Vierundvierziger«, sagte er. Die Waffe war doppelt so schwer wie mein bescheidener Revolver. Mir verging das bisschen Appetit, das ich noch gehabt hatte.
    264

    Die Polizei hatte mit allen Bekannten

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