Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
loyal; den Russen zu helfen, bedeutete für diese Menschen Verrat.
    Morgen, wenn die Trupps Nuristan erreichten, würden die Leute kooperativer sein.
    Dennoch fühlte sich Jean-Pierre entmutigt, als er am Abend zusammen mit Anatoli das Büro verließ und über den betonierten Boden zur Kantine ging. Sie aßen ein übel schmeckendes Gericht aus Kartoffelpüree und Büchsenwurst, und dann verschwand Anatoli missgelaunt , um mit ein paar anderen Offizieren Wodka zu trinken, während Jean-Pierre in der Gesellschaft eines Unteroffiziers blieb, der nur Russisch sprach. Sie spielten eine Partie Schach, doch zu Jean-Pierres Ärger war ihm der Unteroffizier weit überlegen.
    So zog sich der Franzose frühzeitig zurück und lag dann wach auf einer harten Armee-Matratze, während vor seinem inneren Auge ein Film ablief, der ihm Jane und Ellis gemeinsam im Bett zeigte.
    Am nächsten Morgen wurde er von Anatoli geweckt, dessen Gesicht ein einziges Lächeln war, ohne die leiseste Spur von Gereiztheit, und Jean-Pierre kam sich vor wie ein ungezogenes Kind, dem verziehen worden ist - nur dass er nicht wusste , was er denn › verbrochen ‹ haben könnte. Sie frühstückten gemeinsam in der Kantine. Anatoli hatte bereits mit den Suchtrupps gesprochen, die sämtlich bei Tagesbeginn wieder aufgebrochen waren. »Heute werden wir deine Frau fangen, mein Freund«, sagte Anatoli vergnügt, und Jean-Pierre empfand ein Glücksgefühl.
    Sobald sie im Büro waren, setzte sich Anatoli über Funk wieder mit den Trupps in Verbindung. Er verlangte von ihnen eine exakte Beschreibung des Geländes, in dem sie sich befanden, und mithilfe der jeweiligen Details – Flüsse, Seen, Bodenerhebungen, Täler, Moränen - versuchte Jean-Pierre dann eine genaue Ortung. In Stundenkilometern ausgedrückt, schienen sie unendlich langsam voranzukommen, aber natürlich hatten sie auf dem schwierigen Terrain viele Steigungen zu überwinden; dieselben Faktoren würden Ellis und Jane bei ihrer Flucht hinderlich sein.
    Jeder Suchtrupp hatte einen Führer, und wenn sie zu einer Stelle kamen, wo sich die Fährte gabelte und beide Wege nach Nuristan führten, so holten sie aus dem nächstgelegenen Dorf einen weiteren ortskundigen Mann und teilten sich in zwei Gruppen.
    Gegen Mittag waren Jean-Pierres Landkarten so üppig mit rotköpfigen Nadeln gespickt, dass sie aussahen wie die Haut eines Masernpatienten.
    Später, am Nachmittag, gab es dann eine unwillkommene Störung: Ein bebrillter General, auf fünftägiger Tour durch Afghanistan, um sich »vor Ort aus erster Hand« zu informieren, landete in Bagram mit der Absicht, Anatoli bei seiner Großaktion ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Dies erfuhr Jean-Pierre in knappen Worten von Anatoli -
    Sekunden, bevor der General in das kleine Büro gestürmt kam, hinter sich eine Reihe übereifriger Offiziere, die ihm hastig folgten wie Jungenten ihrer Mutter.
    Es faszinierte Jean-Pierre zu beobachten, mit welcher Meisterschaft Anatoli den Besucher zu manipulieren verstand. Er sprang auf, ein energiegeladener und selbstsicherer Mann, schüttelte dem General die Hand, rückte einen Stuhl für ihn zurecht und bellte eine Reihe von Befehlen durch die offene Tür. Dann sprach er etwa eine Minute lang ebenso schnell wie respektvoll zu dem General, entschuldigte sich dann und sagte etwas ins Mikrofon des Sprechfunkgeräts. Er übersetzte Jean-Pierre die Antwort, die, von starken atmosphärischen Störungen mehrfach unterbrochen, aus Nuristan kam, und machte den General mit Jean-Pierre bekannt.
    Der General begann, Fragen zu stellen, die Anatoli knapp beantwortete, wobei er auf die roten Nadeln auf Jean-Pierres Karten wies. Völlig unvermittelt meldete sich dann einer der Suchtrupps über Funk; eine aufgeregte Stimme schnatterte auf russisch drauflos, und Anatoli unterbrach den General mitten im Satz, um sich auf die Meldung konzentrieren zu können.
    Jean-Pierre saß angespannt auf seinem harten Sitz und wartete.
    Die Stimme brach ab. Anatoli stellte eine Frage und erhielt eine Antwort.
    »Was hat er gesehen?« platzte Jean-Pierre heraus, außerstande, sich noch länger zu beherrschen.
    Anatoli ignorierte ihn zunächst und sprach zum General. Schließlich blickte er zu Jean-Pierre. »Sie haben zwei Amerikaner gefunden – in einem Dorf namens Atati im Nuristantal .«
    »Großartig!« rief Jean-Pierre. »Das sind sie!«
    »Schon möglich«, sagte Anatoli.
    Jean-Pierre verstand Anatolis Zweifel nicht. »Natürlich sind sie’s! Eure

Weitere Kostenlose Bücher