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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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studieren, bevor er einen neuen Konvoi losschickte.
    Eigentlich kam Mohammed öfter, als es wirklich notwendig war. Auch richtete er häufiger ein Wort an Jane, als afghanische Männer das für gewöhnlich taten; und suchte ein wenig zu sehr Blickkontakt mit ihr; und betrachtete allzu oft heimlich ihren Körper. Sie glaubte, dass er in sie verliebt war - zumindest gewesen war, bevor ihre Schwangerschaft augenscheinlich wurde.
    Sie ihrerseits hatte sich von ihm angezogen gefühlt, damals, als sie wegen Jean-Pierres Verhalten so deprimiert war. Mohammed war schlank und braun und stark und mächtig, und zum ersten Mal in ihrem Leben fand Jane einen waschechten Chauvinisten, einen in der Wolle gefärbten Macho, attraktiv.
    Sie hätte eine Affäre mit ihm haben können. Er war zwar ein frommer Moslem, wie alle Guerillas, doch das hätte vermutlich keine Rolle gespielt. Sie glaubte, dass ihr Vater recht gehabt hatte: »Frömmigkeit«, pflegte er zu sagen, »kann zwar schwächliches Begehren im Zaum halten, nichts jedoch vermag wirkliche Wollust zu zügeln.« Der letzte Teil des Satzes hatte ihre Mutter immer besonders erzürnt. Nein, hier in dieser puritanischen bäu-erlichen Gemeinde war Ehebruch nicht weniger häufig als irgendwo sonst, das hatte Jane begriffen, je öfter sie dem Dorfklatsch am Fluss lauschte, an den die Frauen zum Baden und zum Wasserholen gingen. Jane wusste auch, wie man’s anstellte. Mohammed hatte es ihr gesagt. »Bei Einbruch der Dunkelheit kannst du unter dem Wasserfall hinter der letzten Wassermühle die Fische springen
    sehen«, hatte er eines Tages gesagt. »Ich gehe manchmal um diese Zeit dorthin, um welche zu fangen.« Bei Einbruch der Dunkelheit waren alle Frauen mit dem Kochen beschäftigt, während die Männer im Hof der Moschee saßen, sich unterhielten und rauchten: So weit vom Dorf entfernt waren Liebesleute vor Entdeckung sicher, und weder Jane noch Mohammed wären vermisst vermisst worden.
    Die Vorstellung, mit diesem gut aussehenden , primitiven Afghanen an einem Wasserfall ein Schäferstündchen zu verbringen, hatte für Jane etwas Verführerisches; doch dann war sie schwanger geworden, und Jean-Pierre hatte ihr gestanden, wie sehr er fürchtete, sie zu verlieren. Seither war sie entschlossen, alle Kraft einzusetzen, um ihre Ehe zu retten, mochte kommen, was wollte. So war sie denn niemals zum Wasserfall gegangen, und als sichtbar wurde, dass sie sich in anderen Umständen befand, suchten Mohammeds heimliche Blicke ihren Körper nicht mehr.
    Vielleicht war es die latente Intimität zwischen ihnen, die Mohammed veranlasst veranlasst hatte, hereinzukommen und ihr zu helfen in einer Situation, da andere Männer ihr die Hilfe verweigert hätten. Vielleicht war es auch wegen Mousa. Mohammed hatte nur diesen einen Sohn – außer seinen drei Töchtern -, und es war durchaus möglich, dass er das Gefühl hatte, Jane etwas schuldig zu sein. Heute habe ich einen Freund gewonnen und mir jemanden zum Feind gemacht, dachte sie: Mohammed und Abdullah.
    Wieder setzten die Wehen ein, und ihr wurde bewusst bewusst , dass die letzte Pause länger gewesen war als die vorangegangenen. Kamen die Kontraktionen jetzt unregelmäßig?
    Warum? Jean-Pierre hatte ihr nichts darüber gesagt. Aber er hatte viel vergessen von seinem gynäkologischen Wissen, das er sich vor drei oder vier Jahren erworben hatte.
    Diese Wehe war die bisher schlimmste, und danach fröstelte Jane und fühlte sich erbärmlich übel. Wo blieb bloß die Hebamme? Mohammed würde sie nicht vergessen oder es sich anders überlegt haben - ganz bestimmt hatte er seine Frau nach der Hebamme geschickt. Aber hatte sie ihm auch gehorcht? Selbstverständlich – afghanische Frauen gehorchten ihren Männern immer. Aber vielleicht ging sie langsam, klatschte unterwegs mit anderen Frauen, blieb womöglich noch in irgendeinem Haus eine Weile zum Tee. Genauso wie es im Fünf-Löwen-Tal Ehebruch gab, gab es natürlich auch Eifersucht, und Halima würde zweifellos wissen oder doch ahnen, was ihr Mann für Jane empfand – das taten Ehefrauen immer. Ob sie es übel nahm , dass sie jetzt Hilfe holen sollte für ihre Rivalin, diese exotische, weißhäutige, gebildete Ausländerin, die ihren Mann so faszinierte? Plötzlich war Jane sehr zornig auf Mohammed und Halima. Ich habe doch nichts Schlechtes getan, dachte sie. Warum lassen sie mich alle im Stich? Warum ist mein Mann nicht bei mir?
    Die nächste Wehe setzte ein, und Jane brach in Tränen aus. Es war

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