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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Dorfgemeinschaft Staub aufwirbeln, und sie musste unbedingt diskret vorgehen.
    Was soll ich zu ihm sagen? dachte sie.
    War es vielleicht das Beste, ihm ohne Umschweife zu sagen: Tu dies für mich, weil ichdich darum bitte? Bei einem westlichen Mann, der in sie verliebt war, hätte das wohl genügt, doch Muslims schienen keine romantische Vorstellung von der Liebe zu haben – was Mohammed für sie empfand, war eher eine Art zärtlicher Wollust. Ganz gewiss machte dieses Gefühl ihn ihr nicht gefügig. Und sie war sich nicht einmal sicher, dass er es immer noch für sie empfand. Was aber sonst? Er schuldete ihr nichts. Weder ihn noch seine Frau hatte sie jemals behandelt. Aber halt: Da war ja noch Mousa, sein Sohn - ihm hatte sie sogar das Leben gerettet. Also stand Mohammed, ehrenhalber, in ihrer Schuld.
    Tu dies für mich, weil ich deinen Sohn gerettet habe. Darauf würde er vermutlich reagieren. Aber Mohammed würde auch nach dem Warum fragen.
    Immer mehr Frauen erschienen. Sie holten Wasser, kehrten ihre Höhlen aus, versorgten die Tiere und bereiteten Speisen zu. Jane wusste , dass sie Mohammed bald sehen würde.
    Was soll ich zu ihm sagen?
    Die Russen kennen die Route des Konvois.
    Woher?
    Das weiß ich nicht, Mohammed.
    Weshalb bist du dir deiner Sache dann so sicher?
    Dos kann ich dir nicht sagen. Ich habe ein Gespräch mit angehört. Ich habe vombritischen Geheimdienst eine Botschaft erhalten. Ich habe so eine Ahnung. Ich habe esaus den Karten gelesen. Ich hatte einen Traum.
    Das war es: ein Traum.
    Sie sah ihn: sah Mohammed, wie er hervortrat aus seiner Höhle, ein hochgewachsener und gut aussehendergut aussehender Mann in Reisekleidung – mit der runden Chitralimütze, genau wie die von Masud, von jenem Typ, den die meisten Guerillas bevorzugten; das lehmfarbene pattu, das als Umhang, Handtuch, Decke und Tarnung diente; dazu wadenhohe Stiefel, die er einem toten Russen ausgezogen hatte. Er überquerte die Lichtung wie jemand, der vor Sonnenuntergang noch einen weiten Weg zurückzulegen hat, und schlug den Pfad ein, der hangabwärts in das verlassene Dorf führte.
    Jane sah ihm nach. Die hochgewachsene Gestalt schrumpfte immer mehr. Jetzt oder nie, dachte sie; und sie folgte ihm. Zuerst ging sie langsam, wie bei einem Spaziergang: Niemand sollte auch nur ahnen, dass sie Mohammed einholen wollte. Doch sobald sie außer Sichtweite der anderen war, fiel sie in Laufschritt. Sie rutschte und stolperte den staubigen Pfad hinab. Als sie, ein Stück voraus, Mohammed erblickte, rief sie ihm zu. Er blieb stehen, drehte sich um und wartete auf sie.
    »Gott sei mit dir, Mohammed Khan«, sagte sie, als sie ihn erreichte.
    »Und mit dir, Jane Debout«, erwiderte er höflich. Sie keuchte, allmählich beruhigte sich ihr Atem. Er musterte sie mit einer Art belustigter Nachsicht. »Wie geht es Mousa?« fragte sie.
    »Er ist glücklich und zufrieden und lernt immer besser, seine linke Hand zu gebrauchen. Eines Tages wird er damit Russen töten.«
    Das war ein Scherz: Die linke Hand wurde traditionsgemäß für › schmutzige ‹ Verrichtungen gebraucht, die rechte beim Essen. Jane lächelte, um ihm zu zeigen, dass sie den Witz verstand; dann sagte sie: »Ich bin ja so froh, dass ich ihm das Leben retten konnte.«
    Falls er die Bemerkung für unangebracht hielt - anmerken ließ er sich jedenfalls nichts.
    »Ich stehe für alle Zeit in deiner Schuld«, sagte er.
    Genau dies hatte sie aus seinem Munde hören wollen. »Es gibt etwas, das du für mich tun könntest«, sagte sie. Sein Gesichtsausdruck war unergründlich. »Wenn es in meiner Macht steht…«
    Sie sah sich nach einem Platz zum Sitzen um. In unmittelbarer Nähe befand sich ein zerbombtes Haus. Trümmer lagen über den Weg verstreut, und man konnte in das Innere des Hauses blicken, das völlig leer war bis auf einen zersprungenen Topf und, absurderweise, das farbige Bild eines Cadillacs an der Wand. Jane setzte sich auf einen der Trümmer, und nach kurzem Zögern setzte sich Mohammed neben sie.
    »Es steht in deiner Macht«, sagte sie. »Aber es wird dir ein wenig Mühe bereiten.«
    »Worum handelt es sich?«
    »Vielleicht wirst du denken, es sei nur die Laune einer törichten Frau.« »Schon möglich.«
    »Vielleicht wirst du mir zwar versprechen, meine Bitte zu erfüllen, dann aber versucht sein, sie – zu vergessen.« »Nein.«
    »Ich bitte dich, mir aufrichtig zu sagen, ob du sie mir abschlägst oder nicht.«
    »Das werde ich.«
    Genug davon, dachte sie. »Ich

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