Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
gesagt, wo auf der Karte sie zu finden ist. Es kann nicht sehr lange dauern, Angelo!»
«Weißt du, dass wir in einer Scheißsituation sind? Du vielleicht weniger, Laura, weil du immerhin an diesem Fall arbeitest. Aber mit mir hat die ganze Sache gar nichts zu tun. Ich kann also nur beten, dass meine Kollegen nichts weitermelden. Ich kann nicht mal weglaufen …»
«Sie werden nichts melden, Angelo. Du bist mein Freund und hast mich einfach nur begleitet. Das kann ja nicht verboten sein, oder?»
«Nein … aber es ist allgemein bekannt, dass ich zu illegalen Aktionen neige.» Er hustete.
«Wir sind einfach nur verunglückt. In der Dunkelheit gestürzt. Das passiert Wanderern immer wieder. Ist nichts Ungewöhnliches.»
Oben am Haus wurde es plötzlich ruhig.
«Schscht!» Laura hob den Kopf und lauschte. «Ich hoffe, dass die nicht runterkommen», flüsterte sie und tastete nach einem Stein oder Stock, den sie im Fall eines Angriffs als Waffe benutzen konnte. Dachte, wie schnell man kämpfen lernte, und die Worte der alten Maria Valeria kamen ihr wieder in den Sinn: Sie hat den Kampf verloren, nicht wahr? Wenn Valeria so kämpfen konnte wie ihre Cousine Nella – und Laura war sicher, dass Nella ihre Gegnerin oben vor der Hütte gewesen war –, dann erschien es verwunderlich, dass sie den Kampf verloren hatte.
Noch immer schauderte Laura vor dem unerwarteten Angriff, den sie nur mühsam überstanden hatte. Sie war gefährliche Situationen gewohnt, aber das hier war etwas anderes. Sie schaute auf die Uhr. Beinahe zehn. Wo blieben die Carabinieri? Wieder kollerte ein Fels. Laura zuckte zusammen. Er musste sich selbst gelöst haben, denn an der Mauer war niemand mehr zu sehen.
Sie legte ihren Rucksack unter Guerrinis Kopf. Er versuchte ein Lächeln.
«Hab mich ganz schön überrumpeln lassen, was? Ganz der erfahrene Ermittler!»
«Wir sind beide überrumpelt worden. Ich hatte nur das Glück, nicht an der Mauer zu stehen, sonst wäre ich auch hinuntergestürzt.»
«Glaubst du wirklich, dass das Frauen waren?»
«Ja, das glaube ich. Starke Frauen, die um keinen Preis gefunden werden wollen. Ich bin sicher, dass genau diese Frauen in München waren und Dr. Denner überfallen haben.»
Auf der Panoramastraße, die etwa zweihundert Meter unter ihnen verlief, näherten sich langsam drei Autos, hielten an. Starke Taschenlampen leuchteten auf, und mehrere Männer machten sich an den Aufstieg durch die Weinfelder.
«Sie kommen!» Laura rappelte sich auf.
«Ich frage mich nur, wie sie mich transportieren wollen …», murmelte Guerrini und stöhnte auf, als er versuchte, sein linkes Bein zu bewegen.
Über zwei Stunden dauerte es, ehe die Carabinieri und die Männer aus dem Krankenwagen den Commissario aus Siena zur Straße hinuntergetragen hatten. Guerrini war hinterher der Meinung, dass er alle Sünden seines Lebens nicht nur einmal, sondern mehrere Male abgebüßt hatte. Man hatte ihn fallen lassen – auch das nicht nur einmal, war gemeinsam mit ihm gestürzt, abgerutscht, und die Flüche hätten durchaus gereicht, um den Mond rot anlaufen zu lassen.
Laura war zusammen mit Sarbia und seinem jungen Stellvertreter – sein Name war Sergente Michele Amato – noch einmal zur Hütte der Cabuns hinaufgestiegen. Die Pfanne und der Spaten waren verschwunden, die Haustür war abgeschlossen, und absolut nichts erinnerte daran, dass hier vor kurzem ein Kampf auf Leben und Tod stattgefunden hatte. Laura verschwieg diesen Kampf, wies nur auf die Mauer.
«Sie muss in einem sehr schlechten Zustand gewesen sein», sagte sie. «Als Guerrini sich dagegenlehnte, brach sie ein, und er fiel. Und ich bin auf meine Schulter gefallen, als ich hinter ihm herkletterte. Die ganze Sache ist mir wirklich sehr peinlich.»
«Was machen Sie denn überhaupt hier oben?», fragte der Maresciallo. «Hier läuft man nicht einfach im Dunkeln herum. Ich glaube Ihnen diese Geschichte nicht, Commissaria.»
«Dann wären wir quitt, nicht wahr, Maresciallo?»
«Wie quitt?»
«Sie beschützten Ihre Leute, und ich beschütze Ihre Leute.»
Sarbia schaute auf Laura, deren Gesicht im Mondlicht von geisterhafter Blässe war, schaute auf Sergente Amato und endlich zum Mond hinauf.
«Ich weiß nicht genau, wovon Sie sprechen, Commissaria. Aber vielleicht erzählen Sie mir später mehr. Wir sollten hinuntergehen und einen Grappa trinken.»
Sie gingen, und Laura gelang es, ihre Schmerzen vor den beiden Carabinieri zu verbergen. Trotz aller
Weitere Kostenlose Bücher