Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
auszuknipsen.
Sie zog die Decke über sich und Guerrini, dann schlief sie innerhalb von Sekunden ein.
Als gegen sechs Uhr jemand an die Tür klopfte, band sie das Geräusch zunächst in ihren Traum ein, ehe sie allmählich wach wurde. Das Klopfen war inzwischen sehr laut geworden. Laura kroch aus dem Bett, hatte Mühe, aufrecht zu stehen, fühlte sich verwirrt von der Erkenntnis, dass sie angezogen war und sogar noch Stiefel an den Füßen trug.
Vor der Tür stand Michele Amato.
«Ich möchte, dass Sie mitkommen, Commissaria. Sie müssen mitkommen!» Er sagte nicht einmal guten Morgen, war blass, und um seine Mundwinkel lag ein nervöses Zucken, das Laura bisher noch nicht bei ihm gesehen hatte.
«Was ist denn los?»
«Wir haben Nella.»
Laura nickte, versuchte einen klaren Kopf zu bekommen.
«Ist sie verletzt?»
«Ja.»
«Schlimm?»
«Nicht sehr. Platzwunde am Kopf und ein paar Prellungen. Kommen Sie?» Er drängte.
«Ja, natürlich. Gleich …»
Laura lief in das kleine Bad, ging aufs Klo, bürstete ihr Haar und ignorierte den Rest ihres Aussehens. Als sie ins Zimmer zurückkehrte, stöhnte Guerrini leise und drehte sich halb auf die Seite, wachte aber nicht auf. Behutsam ließ Laura die Tür hinter sich ins Schloss gleiten und folgte dem Sergente. Er ging nicht zum Carabinieri-Revier, sondern in Richtung Hafen. Es roch nach brackigem Wasser und Fisch.
«Sarbia hat sie zu Valerias Eltern gebracht.»
«Warum?» Laura versuchte Schritt zu halten, fühlte sich noch immer ganz unwirklich und schlaftaumelig.
«Es geht bei der ganzen Sache um Valeria.»
«Ja, schon … aber inzwischen wohl mehr um Nella und dieses zweite Mädchen … Simonetta, nicht wahr?»
«Aber ohne Valerias Tod wäre das alles nicht passiert.»
Er war nicht sehr gesprächig. Doch ehe sie das Haus der Cabuns erreichten, blieb er so plötzlich stehen, dass Laura gegen ihn prallte.
«Ich glaube nicht, dass sie jemanden töten wollte», stieß er hervor, Verzweiflung lag in seiner Stimme. «Sie liebte Valeria wie eine Schwester, Commissaria. Und diese Geschichte der Cabun-Frauen … Das ist alles so ein Durcheinander. Bitte helfen Sie ihr, Signora …»
Laura betrachtete den jungen Mann. Im Morgenlicht wirkte er wie eine Schwarzweißfotografie, stand unbeweglich zwischen den Häusern im Dämmerlicht. Und sie liebte ihn für seinen Mut und seine Liebe zu dem wilden Mädchen, nickte ihm zu und legte eine Hand auf seinen Arm.
«Wir werden sehen, was wir machen können …», erwiderte sie leise.
KOMMISSAR BAUMANN hatte eine Idee. Sie war ihm ganz spontan gekommen, als er zum Haus der Denners unterwegs war. Ganz gegen seine Gewohnheit war er früh unterwegs, denn er hatte sich überlegt, dass Menschen am Morgen noch nicht so ganz konzentriert waren. Er selbst jedenfalls war vor neun Uhr, eher zehn, eigentlich nie wirklich auf der Höhe seiner geistigen Fähigkeiten. Deshalb trank er auf dem Weg zu Renata Denner einen starken Kaffee. Es war kurz nach sieben, als er bei ihr klingelte, und er holte sie aus dem Bett.
Genau das war seine Absicht gewesen.
Die Kinder schliefen noch – ebenso ihre Schwiegermutter, die offensichtlich für eine Weile das Au-pair-Mädchen ersetzte.
Eigentlich wollte sie ihn wieder wegschicken. Schloss zweimal die Tür vor seiner Nase. Doch er klingelte immer weiter, und da sie vermeiden wollte, den Rest der Familie zu wecken, ließ sie ihn schließlich rein.
«Ich finde es eine Unverschämtheit, dass Sie so früh hier auftauchen!» Sie gestikulierte heftig, zog immer wieder den Gürtel ihres Morgenmantels fest. «Nach alldem, was wir in den letzten Tagen durchgemacht haben», fügte sie hinzu.
«Es tut mir sehr Leid, Frau Doktor», sagte er sanft. «Wir haben eine Menge zu tun, und ich wollte in Ruhe mit Ihnen sprechen.»
«Worüber denn noch, um Himmels willen?»
«Oh …» Er stieß ein leises Lachen aus. «Es ist eigentlich so gut wie nichts an diesen Fällen geklärt, gnädige Frau. Da gibt es noch eine Menge zu besprechen.»
«Ich kann nichts zu dieser Klärung beitragen, deshalb möchte ich auch endlich meine Ruhe haben, um mich zu erholen.»
«Ja, natürlich, das kann ich sehr gut verstehen. Könnten wir vielleicht hineingehen?»
Widerwillig ging sie vor ihm ins Wohnzimmer, bot ihm aber keinen Platz an, blieb auch selbst stehen.
«Also, was wollen Sie?»
«Es gibt da so eine neue Aussage einer Person, die in dem Haus in der Herzogstraße wohnt … Sie wissen schon, das Haus mit der
Weitere Kostenlose Bücher