Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
helfen?»
Sie schien nicht sonderlich erschüttert, wirkte beinahe heiter. Zum ersten Mal liefen auch die beiden Kinder mit ihren Spielsachen durch das riesige Wohnzimmer und schauten neugierig auf die beiden Fremden.
«Der Tod Ihres Sohnes tut mir sehr Leid, Frau Denner.» Laura studierte jede Regung im Gesicht der Frau.
«Ach ja», sagte Denners Mutter leise. «Ich bin schon traurig – vor allem über das, was er nicht werden konnte. Aber es wundert mich nicht … nein, es wundert mich nicht.»
«Weshalb?»
«Wir haben schon darüber gesprochen … Er war geldgierig, und für Geld hätte er nicht alles, aber so ziemlich alles gemacht.»
Der größere der beiden Jungs ließ einen Springball fallen, der bis zu Lauras Nasenspitze hochhüpfte, dann weiter zu Baumann, der ihn geschickt auffing.
Vorsichtig kamen die beiden Kinder hinter dem Rücken ihrer Großmutter hervor, näherten sich dem Kommissar, der den Ball in seiner Hand verbarg.
«Was könnte Ihren Sohn das Leben gekostet haben?» Laura war ganz auf die rothaarige Frau konzentriert, während Baumann gleichzeitig mit den Kindern ein kleines Gerangel um den Ball begann. Auch Denners Mutter ließ keinen Blick von Laura.
«Ich weiß es nicht», sagte sie. «Vielleicht hat er sich auf irgendwelche dubiosen Geschäfte eingelassen …»
«Aber Ihre Schwiegertochter sagte mir, dass er hier im Haus übernachtete und dann verschwand. Außerdem hat sie angeblich das tote Au-pair-Mädchen vor dem Fenster gesehen. Es muss also einen Zusammenhang zwischen all diesen merkwürdigen Vorgängen und dem Tod Ihres Sohnes geben.»
War da eine Erschütterung zu sehen, kaum wahrnehmbar, ein paar schnellere Atemzüge nur, ein Zucken der Lider, eine fahrige Handbewegung?
«Ich war nicht da, meine Schwiegertochter war allein im Haus. Ich hatte die Kinder zu mir geholt. Deshalb kann ich nichts dazu sagen.»
Laura nickte. «Ich weiß. Ich war bei Ihrer Schwiegertochter. Sie rief mich an am Morgen nach dem Verschwinden Ihres Sohnes.»
«Dann sprechen Sie wohl besser mit ihr, Kommissarin. Ich werde sie holen.»
Baumann flüchtete vor den beiden kleinen Jungs durch den weiten Wohnraum und versteckte sich hinter einem der wuchtigen Sofas. Die Kinder juchzten.
«Darf ich Sie etwas fragen, Frau Denner?»
«Etwas Persönliches?» Ihre Stimme klang spöttisch.
«Ja, etwas Persönliches. Warum hassen Sie Ihre Söhne?»
Die rothaarige Frau senkte den Blick, hob nach kurzem Zögern schnell den Kopf und sah Laura in die Augen.
«Das hat mich bisher noch niemand gefragt. Aber ich kann es Ihnen sagen: Sie ähneln zu sehr meinem Mann, haben seine Charaktereigenschaften, sein Aussehen, seine Rücksichtslosigkeit. Sie müssen wissen, dass ich sehr unter meinem Mann gelitten habe. Außerdem hatte ich fast nie das Gefühl, dass sie auch meine Söhne sind.»
Das Lachen der Kinder klang aus dem Wohnzimmer in die Eingangshalle herüber.
«Und Ihre Enkel?»
«Es gibt immer Hoffnung, nicht wahr?»
Laura erwiderte ihren ernsten Blick, nickte leicht.
«Wissen Sie, wer ihn umgebracht hat?» Jetzt klang die selbstsichere Stimme plötzlich brüchig.
«Nicht sicher. Ich habe nur eine Ahnung. Eine ganz verrückte Ahnung. Könnten Sie jetzt bitte Ihre Schwiegertochter holen?»
Denners Mutter nickte, schien in den letzten Minuten gealtert zu sein. Selbst ihre Schritte erschienen Laura unsicher.
Es dauerte nur ein paar Minuten, ehe die beiden Frauen zurückkehrten. Dr. Renata Denner war diesmal sorgfältig frisiert und geschminkt.
«Ich wollte gerade ausgehen», sagte sie. «Weshalb melden Sie sich eigentlich nicht an?»
«Das ist nicht unsere Art!», erwiderte Laura langsam. «Wir machen keine Höflichkeitsbesuche. Ich möchte Sie gern allein sprechen, Frau Dr. Denner.»
«Jaja, ich wollte sowieso mit den Kindern in den Englischen Garten gehen.» Die ältere Frau Denner griff nach einer Jacke.
«Es ist warm draußen. Sie werden keine Jacke brauchen», sagte Laura.
«Ah so, ja, danke.»
«Er soll mitkommen!», baten die beiden Jungs, als ihre Großmutter sie rief, und zogen Baumann hinter sich her.
«Geh ruhig mit!», lächelte Laura. «Und pass gut auf!»
«Bist du sicher?» Baumann wirkte ein wenig verzweifelt.
«Ja, könnte sinnvoll sein!»
Er ging. Die beiden kleinen Buben waren entzückt.
«Sie sehen nicht viel von ihrem Vater, nicht wahr?», sagte Laura leise.
«Nein, nicht sehr viel.» Ein bitterer Zug lag um Renata Denners Mund. «Wir müssen sehr viel arbeiten.
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