Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
ihr Tagebuch. Sie hatte es aber bereits nach Hause geschickt. Ich habe es bei mir und möchte dem feinen Doktor ein bisschen daraus vorlesen. Mir ist inzwischen auch klar, warum er solche Angst hat.»
«Und warum?»
«Das erzähle ich dir im Wagen, Peter. Und euch, wenn wir zurückkommen! Los!»
Rein körperlich ging es Dr. Denner deutlich besser, zumal die Stichwunden nicht besonders gefährlich gewesen waren. Psychisch allerdings, so erklärte die junge Ärztin, sei er ein Wrack. Es stehe ihr zwar nicht zu, solch harte Worte zu benützen, aber gegenüber der Polizei wolle sie doch offen sein.
Denner leide unter heftigen Angstzuständen, und auch der Psychologe sei inzwischen ratlos, denn der Patient verweigere die Zusammenarbeit.
«Ja», sagte Laura. «Das erscheint mir sehr plausibel. Er kann gar nicht mit ihrem Psychologen zusammenarbeiten.»
«Weshalb denn?» Die Ärztin wirkte irritiert.
«Weil er dann sagen müsste, warum er solche Angst hat, und das kann er nicht. Das wäre zu gefährlich für ihn.»
«Sprechen Sie immer in Rätseln?»
«Nein. Aber ich muss erst mit Ihrem Patienten reden. Ich kann nicht Dinge über ihn verbreiten, ehe ich Gewissheit habe. Das werden Sie sicher verstehen. Sie dürfen auch keine Diagnosen an Unbefugte weitergeben.»
Die Ärztin nickte. Diesmal trug sie keinen Pferdeschwanz, sondern hatte ihre langen Haare zu einem Zopf geflochten, der ihr nach vorn über die Schulter fiel. Sie griff danach, drehte ihn ein wenig verlegen.
«Sie können zu ihm. Und Sie müssen nicht besonders viel Rücksicht nehmen. Körperlich ist er wirklich belastbar.»
Laura lächelte ihr zu. «Noch eine Frage», sagte sie. «War Frau Dr. Denner häufig hier?»
«Nein. Nicht besonders häufig, und wenn sie hier war, dann ziemlich kurz.»
Die junge Ärztin begleitete Laura und Baumann zu Denners Zimmer, öffnete die Tür. «Sie haben Besuch Herr Doktor!»
Laura sah ihr Gesicht von der Seite und dachte, dass die Ärztin ihren Patienten nicht leiden konnte.
Denner hatte sich verändert. Sein Blick war unstet, die Augen waren gerötet. Als er Laura und Baumann erkannte, begann er heftig zu atmen.
«Wenn er zu sehr hyperventiliert, dann läuten Sie», flüsterte die Ärztin und ging. Baumann hob erstaunt die Augenbrauen. Laura versuchte ein Achselzucken, ließ es aber sein, als ein stechender Schmerz durch ihre rechte Schulter fuhr. Stattdessen stellte sie sich neben Denners Bett, grüßte ihn, zog dann Valerias Tagebuch aus der Tasche. Er atmete heftiger.
«Ich nehme an, dass Sie dieses kleine Buch gesucht haben, als Sie Valerias Zimmer durchwühlten.»
Denner schüttelte den Kopf, krächzte halb erstickt, ehe er ein paar Wörter hervorbrachte. «Nie … niemals habe ich ihr Zimmer durchsucht. Ich war nie in ihrem Zimmer, niemals! Was ist das für ein Buch?»
«Es ist Valerias Tagebuch.»
Denner stieß ein Röcheln aus, das Baumann alarmierte.
«Soll ich die Ärztin rufen?», flüsterte er.
«Nein», erwiderte Laura. «Ich möchte Dr. Denner erst ein bisschen vorlesen. Da steht zum Beispiel: ‹Er lässt mich nicht in Ruhe. Er fasst mich an, lacht, wenn ich ihn wegstoße. Er findet das besonders aufregend. Das sagt er!›»
«Was soll das? Wirre Phantasien eines jungen Mädchens! Sie glauben doch nicht, dass ich …» Denner richtete sich auf, hustete wieder.
«Wer sagt denn, dass von Ihnen die Rede war? Seltsam, dass Sie diese Sätze sofort auf sich selbst beziehen!»
«Ich weiß nicht … warum lesen Sie mir das vor, wenn es nicht mit mir zu tun hat?»
«Vielleicht, um ein gewisses Mitgefühl für ihr Au-pair-Mädchen bei Ihnen hervorzurufen. Sie hat zum Beispiel geschrieben: ‹Ich muss weg. Ich halte es nicht mehr aus. Die Signora hasst mich. Sie weiß, dass ihr Mann mir nachstellt. Warum hasst sie nicht ihn? Ich kann es Roberto nicht sagen. Er würde ihn umbringen!›»
«Da sehen Sie es! Sie war gefährlich und dieser Schwarze auch!» Er atmete heftiger, sein Gesicht war sehr rot.
«Jaja, sie war gefährlich. Als letzte Eintragung in ihrem Tagebuch steht: ‹Ich werde ihn umbringen!›»
Denner fiel in die Kissen zurück, rang nach Luft. Kommissar Baumanns Hand lag bereits auf der Türklinke. «Soll ich?»
«Noch nicht!»
«Du hast Nerven.»
«Wie hat Valeria versucht, Sie umzubringen?» Laura beugte sich über Denner, schaute in seine Augen. Er drehte den Kopf weg, nach links, nach rechts.
«Wie, Herr Doktor Denner?»
«Ich weiß es nicht …»
«Sie kam in
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