Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
erreichen.
«Warum haben Sie eigentlich Valeria nicht beigestanden – ich meine, in ihrer Not, als Ihr Mann sie bedrängte?»
«Welche Not? Sie war eine Nutte – alle waren sie Nutten. Alle Au-pairs!»
«Glauben Sie das wirklich, Frau Dr. Denner? Soll ich Ihnen vorlesen, was Valeria in ihrem Tagebuch geschrieben hat? Sie war völlig verzweifelt. Sie hasste Ihren Mann. Und sie war offensichtlich wild entschlossen, ihn umzubringen!»
Das Gesicht der Ärztin zuckte.
«Wo Valeria herkommt, da stehen die Frauen zueinander. Sie verteidigen sich, und sie helfen sich gegenseitig. Vielleicht wäre das der bessere Weg gewesen, Frau Dr. Denner. Dann hätten Sie nicht Ihren Schwager umbringen müssen, und Valeria wäre vermutlich auch noch am Leben.»
So unvermutet, wie Renata Denner Laura angegriffen hatte, brach sie nun in sich zusammen. Es war ein Weinen, das eine Tiefe besaß, die nie zu enden schien. Das untröstliche Weinen eines Menschen, der erkannte, dass er sein Leben zerstört hatte.
Sie konnten kein Protokoll aufnehmen an diesem Tag. Renata Denner erlitt einen Nervenzusammenbruch und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Ihr Mann legte ein umfassendes Geständnis ab, jedenfalls, was seine Person betraf. Er verzichtete auf eine Anzeige gegen die beiden italienischen Rächerinnen, nahm die Anklage wegen Totschlags auf sich, war plötzlich kein psychiatrischer Fall mehr, sondern versuchte zu retten, was zu retten war. Und seltsam, er schien erleichtert, dass seine Frau des Mordes an seinem Bruder beschuldigt wurde. Beinahe erschien es Laura so, als hätte er auf diese Weise zwei Probleme gelöst.
Denners Mutter hielt sich von allen am besten, schien das Unheil geahnt zu haben. «Ich werde es noch einmal versuchen», sagte sie und legte die Arme um die beiden kleinen Buben. «Man soll die Hoffnung nie aufgeben. Vielleicht gelingt es mir dieses Mal.»
Am Nachmittag bestand Peter Baumann darauf, Laura ins Krankenhaus zu fahren, damit sie ihre Schulter und ihren Arm untersuchen ließ. Die Röntgenaufnahmen zeigten ein angerissenes Schultergelenk. Die Ärzte verpassten ihr einen Gipsverband, legten ihren Arm in eine Schlinge und schrieben sie krank. Als sie das Krankenhaus endlich verlassen konnte, atmete sie erleichtert auf.
«Und jetzt», sagte sie, «fahren wir in die Schellingstraße zu Roberto Malenge.»
«Du bist verrückt», sagte Peter Baumann. «Rennst tagelang mit einer angebrochenen Schulter herum und hast noch immer nicht genug!»
«Doch, ich habe genug, Peter. Aber diese Geschichte ist noch nicht zu Ende. Es gibt noch jemanden, der große Angst hat, und die möchte ich ihm nehmen.»
«Er ist sicher nicht in der Wohnung!»
«Aber vielleicht ist jemand da, der eine Nachricht an ihn weitergeben kann.»
Baumann schüttelte den Kopf, fuhr aber mit Laura zur Schellingstraße. Sie fühlte sich ein bisschen taumelig, schaffte aber die Treppe. Nur die Gerüche waren ihr unangenehm. Als sie an der Tür der afrikanischen Wohngemeinschaft klingelten, rührte sich lange nichts, und sie dachten schon, vergeblich gekommen zu sein. Doch dann öffnete sich die Tür, und Aristide stand vor ihnen, unerschrocken, als hätte er sie erwartet.
«Roberto ist nicht hier», sagte er gelassen.
«Ich hatte nicht damit gerechnet», erwiderte Laura. «Wir sind nur hier, damit er zurückkommen kann. Der Verdacht gegen ihn besteht nicht mehr. Es tut mir Leid, dass er eine schwere Zeit durchleben musste.»
«Bitte kommen Sie herein.» Aristide trat zur Seite.
«Nur ganz kurz.» Laura wies mit der linken Hand auf ihren verletzten Arm.
«Wer … wer hat Valeria umgebracht?»
«Es war eher ein tragischer Unfall – keine Absicht. Aber der Mann, der Roberto Malenge niedergeschlagen hat, ist tot. Es war kein rassistischer Überfall, auch wenn es so aussah. Der Täter wollte nur an seine DNA.»
«Roberto ahnte so etwas. Er hatte unglaubliche Angst. Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen können. Es hat mit unserer Hautfarbe zu tun. Eigentlich sind wir fast immer die Schuldigen. Deshalb hatte Roberto kein Vertrauen.»
«Ich kann es verstehen. Wenn er genau wissen will, was geschehen ist, dann kann er mich anrufen. Ich gebe Ihnen meine Privatnummer.»
«Was ist mit Ihrem Arm? Hat die Verletzung etwas mit Valerias Tod zu tun?»
«Ganz entfernt. Wo haben Sie sich eigentlich versteckt?»
«Muss ich Ihnen das sagen?»
«Nein. Ich war nur neugierig.»
«Wir haben Freunde in Frankreich.»
«Na, da konnte unser Kleiner
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