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Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Titel: Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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kannst mit zu mir kommen, Kleines!», sagte er. «Dann bist du erst mal aus der Schusslinie!»
    «Hier schießt niemand!», entgegnete Laura scharf, versuchte ruhig zu atmen, sich nicht von Ronald provozieren zu lassen.
    «Ich habe Hunger!» Luca sprach sehr laut und überdeutlich, machte den Kühlschrank auf und starrte hinein, als könnte er davon satt werden. Wie immer reagierte er auf die Spannungen zwischen ihnen wie ein Seismograph. Es war ja auch absolut lächerlich und überflüssig, ausgerechnet in dieser Situation Seitenhiebe auszuteilen. Laura wusste das, konnte aber nicht verhindern, dass allein der Anblick ihres Pfeife rauchenden Exmannes sie wütend machte. Vor allem die Art, wie er den Arm um Sofia legte, machte sie wütend. Diese Gebärde des großen Beschützers, der er verdammt nicht war.
    «Ich wollte Pfannkuchen machen … Hast du Appetit darauf?», murmelte sie und zog die Eierschachtel aus dem Kühlschrank, hätte sie beinahe fallen lassen.
    Es klingelte.
    «Das wird meine Ärztin sein …» Laura lief zur Tür, öffnete aber nicht. Es konnte nicht die Ärztin sein. Mit ihr hatte sie vier kurze und zwei lange Klingelzeichen ausgemacht. Es hatte aber nur einmal und ganz leicht, beinahe schüchtern geklingelt. Sie schaute durch den Spion direkt ins Gesicht von Ülivias Mutter, dachte, dass jetzt die Verhandlungen begannen, dass sie genauso hungrig war wie Luca, müde und durstig und keinerlei Lust auf diese Verhandlungen hatte. Vorsichtig öffnete sie die Tür, gerade so weit es die Sicherheitskette zuließ.
    «Was wollen Sie, Frau Özmer?» Laura nannte sie mit Bedacht nicht Safira, wie sie es sonst tat.
    «Bitte bringen Ülivia zurück. Bitte. Alle weinen! Nicht mehr schlagen Ülivia. Bitte bringen zurück, Laura!» Sie rang ihre Hände.
    «Nein», sagte Laura bestimmt. «Heute Abend nicht mehr. Sie muss jetzt schlafen.»
    «Bitte, Laura! Mein Mann zerreißen Hemd. Ist Schande. Du musst zurückbringen Ülivia.»
    «Nein, Frau Özmer! Es ist eine Schande, dass Sie ihr nicht geholfen haben! Ülivia ist Ihre Tochter!»
    Safira schluchzte laut, streckte eine Hand durch den Türspalt und umfasste Lauras Arm. «Sie macht Schande! Hat Bräutigam in Türkei und jetzt Schande! Bitte, Laura! Ich sprechen mit Ülivia!»
    «Nein!» Laura löste die Hand der kleinen Frau von ihrem Arm. «Sie ist verletzt! Sie hätte sterben können! Sie braucht einen Arzt. Richte deiner Familie aus, dass niemand versuchen soll, Ülivia zurückzuholen. Du weißt, dass ich Polizistin bin. Sag das deinen Leuten!» Jetzt war sie doch wieder ins vertraute Du verfallen. Hatte plötzlich Mitleid mit der Verzweifelten. Vielleicht wurde auch sie geschlagen. «Wir sprechen morgen miteinander. Es ist besser, wenn nach diesem Schrecken alle erst einmal zur Ruhe kommen. Vielleicht denkt auch dein Mann nach. Es wäre ganz gut für ihn. Richte ihm aus, dass ich ihn und die anderen beiden wegen Körperverletzung anzeigen könnte. Du verstehst das, Safira. Dein Deutsch ist ziemlich gut, nicht wahr!»
    Safira Özmer warf Laura einen entsetzten Blick zu, nickte, presste eine Hand vor ihren Mund.
    «Ich meine es ernst, Safira. Es ist mein Beruf, Menschen zu beschützen. Ich kann prügelnde Männer nicht leiden! Aber wir können miteinander sprechen. Morgen. Vielleicht finden wir eine Lösung. Gute Nacht!»
    Leise schloss Laura die Wohnungstür, drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Seit fast zehn Jahren lebte sie mit der Familie Özmer Tür an Tür. Ronald hatte ganz Recht, wenn er von den türkischen Tragödien sprach. Häufig hatten sie darüber gelacht – nicht verächtlich, sondern voll Sympathie –, den Kulturschock begreifend, dem diese einfachen Menschen aus Izmir ausgesetzt waren.
    Amüsiert hatten sie und Ronald beobachtet, wie bereits nach wenigen Jahren die Frauen nicht mehr in die Türkei zurückwollten, während der alte Özmer weder Deutsch lernte noch von seinem Plan abrückte, ganz schnell wieder in die Heimat zurückzukehren. Er war noch immer in München und würde es wohl auch bleiben.
    Laura hatte geholfen, wo es ging, ein paar Mal sogar die Lohnsteuererklärung ausgefüllt, war mit aufs Ausländeramt gegangen, hatte sich über deutsche Beamte geärgert. Einmal hatte sie sogar gelogen, indem sie eine Bestätigung schrieb, dass sie ein Zimmer an die Familie Özmer vermietete, um der jüngsten Schwiegertochter eine Aufenthaltsgenehmigung zu verschaffen. Sie hatte die Gaswache gerufen, als der alte Özmer

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