Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
kühl und las weiter. Baumann setzte die Kaffeemaschine in Gang und beobachtete seine Vorgesetzte. Nach der zehnten Seite seufzte sie tief, klappte den Ordner zu und meinte: «So können wir’s lassen. Das hast du gut gemacht!»
«Keine Einwände?»
«Keine.»
«Und was machen wir mit Malenge?»
«Pfeif mal den kleinen Spürhund zurück. Ich nehme das auf meine Kappe.»
«Aber du kannst Malenge nicht einfach so laufen lassen!»
«Das tu ich nicht. Aber ich bin sicher, dass er nicht weit ist und dass er zurückkommt. Du hast doch eben selbst gesagt, dass du Roberto und Aristide für klug hältst.»
«Glaubst du, dass sie’s waren?»
«Ich glaube nichts, ehe ich Beweise habe.»
«Und warum sind Malenges Spuren in einer Wohnung, die er angeblich nicht kennt?»
«Die sind ein echtes Problem, aber noch immer kein sicherer Beweis dafür, dass er tatsächlich dort war.»
«Du glaubst doch nicht im Ernst, dass jemand sich die Mühe macht, Malenges DNA-Spuren in dieser Wohnung zu verteilen, Laura!»
«Ich glaube gar nichts! Aber ich möchte diese Angelegenheit noch ein ganzes Stück genauer untersuchen. Ich bin nämlich ziemlich sicher, dass Doktor Denner diese Wohnung kennt. Vielleicht hat er die Spuren präpariert – immerhin ist er Arzt und kennt sich mit so was aus.»
«Damit kannst du dem Chef nicht kommen. Der steht auf DNA-Nachweise!»
«Der Chef ist doch wahrscheinlich am Chiemsee, oder?»
«Manchmal hast du ziemlich gute Nerven, was?»
«Es geht …» Laura stand auf und dehnte ihre Arme. «Ich gehe jetzt. Ruf mich an, wenn irgendwas Dramatisches passiert, aber nur dann. Ich bin erst am Ostermontag wieder zu sprechen.»
«Da hab ich frei», grinste Baumann.
«Das trifft sich gut, dann eben bis Dienstag. Frohe Ostern!»
Weg war sie, und Baumann fragte sich, was mit ihr los sein könnte.
Laura saß neben Angelo Guerrini auf den hohen Stufen des Monopteros und folgte seinem Blick über die weiten Wiesen des Englischen Gartens zu den Türmen der Stadt. Ein winziges weißes Pferd mit einem winzigen Reiter zog hinter dem Eisbach seine Runden über eine unsichtbare Bahn. Winzige Menschen lagen an den Bachufern im Gras. Hinter Laura und Guerrini spielte ein Mann Saxophon.
«Sitzt du hier öfter?» Angelo legte einen Arm um Lauras Schultern.
«Nein, ganz selten. Ich habe keine Zeit dazu.»
«Schade.»
«Vielleicht.»
«Was machst du, wenn du nicht arbeitest?» Er zog sie näher zu sich, betrachtete sie von der Seite. Es dauerte eine Weile, ehe Laura antwortete. Sie musste diese Frage erst sich selbst beantworten.
«Ich verbringe viel Zeit mit meinen Kindern», sagte sie endlich, «versuche den Haushalt zu organisieren, sitze manchmal auf dem Balkon in der Sonne und lese die Zeitung, schaue nachts den Mond an. Ich koche, schlafe, lege mich zwei Stunden in die Badewanne und lese. Ich besuche meinen Vater … ziemlich oft sogar. Manchmal gehe ich mit einer Freundin spazieren oder ins Kino …»
Angelo lachte leise. «Klingt vertraut. Bei mir fehlen nur die Kinder im Programm.»
«Ich hab noch etwas vergessen», fügte Laura hinzu, sah ihn dabei nicht an, sondern schaute zu den weißen Türmen der Ludwigskirche hinüber. «Ich denke manchmal an dich!» Noch immer schaute sie ihn nicht an, legte aber für einen Augenblick ihren Kopf an seine Schulter – eine Geste, die nicht gerade typisch für sie war. Guerrini drehte ihr Gesicht zu sich, und Laura musste die Augen schließen. Weil sie es einfach nicht ertragen konnte, ihn anzusehen. Sie hatte ein Gefühl, als schmerzte ihre Haut, als spürte sie jede Körperzelle noch stärker als am Morgen. Als seine Lippen sie berührten, wurde ihr schwindlig, und sie versuchte sich vor diesem süßem Absturz zu retten, indem sie sich fragte, was sie in ihn hineinprojizierte. Die Sehnsucht nach dem Italien ihrer Mutter vielleicht? Oder die Sehnsucht nach einem ganz anderen Leben? Sie kam nicht weiter, denn er küsste verdammt gut, und sie gab ihren Widerstand auf, stürzte eben. Als sie sich endlich, nach Luft schnappend, trennten und einander staunend betrachteten, klingelte Lauras Handy.
«Ich habe es erwartet.» Angelo lehnte sich an eine der Säulen.
«Hätte ich es nur im Wagen gelassen», jammerte Laura, und sie brachen beide in Gelächter aus, schauten auf Lauras kleinen Rucksack, der – wie etwas Lebendiges – immer lauter piepste.
«Soll ich es annehmen?»
«Klar!»
«Warum?»
«Weil es deine Kinder sein könnten.»
Seit Stunden hatte Laura
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