Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
ganze Kirche samt dem Papst aus den Angeln zu heben, wenn seine Tochter nicht gesegnet wird!»
«Ich wäre durchaus bereit, ihn dabei zu unterstützen», knurrte Guerrini. «Aber nach dieser unerwartet wunderbaren Ankunft fällt es mir schwer, zum Ernst des Lebens zurückzukehren. Ich liebe dich, Laura. Trotz der Ameisen!»
«Wer die Wüste durchqueren will, muss mit vielen Gefahren rechnen», erwiderte sie und zwinkerte ihm zu.
Nur ein Teil von ihr war ganz und gar der Aufklärung dieser rätselhaften Vorkommnisse um Valeria verhaftet, der andere war entzückt darüber, dass sie jetzt und hier mit Angelo sein konnte. Als ihr Blick auf eine Katze fiel, die sich in einem Sonnenfleck ausstreckte, mit geschlossenen Augen und schlaffen Pfoten, fühlte sie sich dem Tier verwandt, hätte es ihm gern gleichgetan.
«Lass uns die Kirche suchen», sagte sie stattdessen, erhob sich und hielt Angelo ihre Hand hin. Lächelnd ließ er sich von ihr hochziehen, und Laura dachte, dass sie stolz auf ihn war. Sie konnte in diesem Augenblick selbst nicht fassen, dass dieser gut aussehende Mann im schwarzen Polohemd und hellblauen Jeans zu ihr gehörte.
«Die Kirche ist irgendwo oben.» Guerrini führte Laura in eine schmale Seitengasse, die steil hinaufführte, in schier endlose Steintreppen mündete. Links und rechts lagen die Eingänge zu den Häusern und Wohnungen. Manche hatten einen kleinen Vorplatz, auf dem eine Topfpflanze ums Überleben kämpfte, denn nur ein winziger Streifen Himmels war zwischen den hohen Häusern zu sehen. Noch hing die Winterfeuchte in den Gassen, und es roch ein bisschen muffig.
Als sie unversehens das Ende der Treppe erreicht hatten, traten sie hinaus auf einen weiten Platz, der wie eine große Terrasse über dem Dorf lag, und dort, mit einer Seite an den Felshang geschmiegt, stand die Kirche San Giovanni Battista, umsäumt von Oleanderbäumen, deren Blütezeit noch fern war. Vor dem Kirchenportal spielten ein paar Jungs Fußball, zwei alte Männer lehnten am Geländer, das den Platz begrenzte, schauten abwechselnd hinab auf die kleinen Gemüsegärten oder hinaus aufs Meer, das in einem riesigen V hinter der Häuserschlucht sichtbar wurde und die Enge des Dorfes in die Unendlichkeit öffnete.
Als Laura und Guerrini in die kleine Pfarrkirche eintraten, umfing sie vollkommene Stille. Sie waren allein, standen ein paar Minuten vor dem Gemälde, das Johannes den Täufer in der Wüste zeigte. Es roch nach kaltem Weihrauch und Stearin.
«Schon wieder die Wüste», wisperte Laura und tauschte ein Lächeln mit Guerrini.
«Valeria ist nicht da!», flüsterte er zurück.
Laura wies in einen Seitengang rechts vom Altar. Von dort drang Kerzenschimmer ins Hauptschiff, und als sie dem Licht folgten, fanden sie den kleinen Seitenraum voller Blumen, fanden Valerias offenen Sarg und eine alte Frau, zusammengekauert, reglos.
Plötzlich wurde der kalte Weihrauch übermächtig, mischte sich mit dem Geruch der welkenden Blumen. Nichts mehr erinnerte an das Leben draußen, an die Sonnenflecken und die dösende Katze, an Anemonen und den Duft des Meeres. Laura und Guerrini standen dicht nebeneinander, wagten kaum zu atmen, fühlten sich wie Eindringlinge und traten instinktiv den Rückzug an. Draußen, auf dem Kirchplatz, blieben sie stehen, horchten verwirrt auf das Lachen der kleinen Fußballer, das von den Wänden widerhallte, auf den dumpfen Aufprall des Balls, wenn er die Fassade der Kirche traf.
Die beiden alten Männer hatten sich inzwischen umgedreht und schauten den Kindern zu. Weil sie freundlich nickten, lehnte Guerrini sich neben sie und begann ein Gespräch … leichthin, übers Wetter, die Ostertage, die Fremden, und ebenso leichthin kam er auf die Kirche zu sprechen und dass er ganz zufällig den Sarg im Seitengang entdeckt hätte. Wer denn die Tote sei und wann die Beerdigung stattfinde?
Die alten Männer senkten bekümmert ihre Köpfe, murmelten von einem schrecklichen Unglück, das über eine Familie des Dorfes gekommen sei, und die Beerdigung finde morgen um zehn Uhr statt. Man hoffe, dass Gott mehr Einsehen habe als der Priester.
Das sei wahrscheinlich, antwortete Guerrini, und Laura liebte ihn für diese Antwort, während sie den kreischenden Mauerseglern zusah, die um den Kirchturm tobten wie ein Echo auf die Fußball spielenden Kinder.
Guerrini und Laura einigten sich darauf, zunächst den Entwicklungen einfach zuzusehen. Einzig ein Gespräch mit dem Maresciallo der Carabinieri wollten sie
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