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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Haltung und Stimme klangen echt, doch Kleid und Haar, die in einem stolzen, spöttischen Rot leuchteten, sprachen dagegen. Schließlich sagte er: »Nun gut. Wenn Ihr versprecht, nicht länger auf Eurem Pfad der Willkür und des Hochmuts fortzufahren, auf den Ihr auch den König getrieben habt, will ich für Euch zu Gott beten. Ja, ich will ihn auch bitten, daß er Euch und dem Königreich einen Erben schenkt.«
    Er war von dem Schmerz überrascht, der sich für den Bruchteil einer Sekunde bei ihr zeigte; er hatte nicht geglaubt, daß diese Frau fähig war, so tief zu fühlen.
    »Ich verspreche es, Vater.«
    »Dann geht in Frieden.« Ein wenig ungnädig fügte er hinzu:
    »Meine Tochter.«
    Alienors Gesicht wurde von einem jähen Lächeln erhellt.
    »Ich danke Euch aus ganzem Herzen, Vater.« Sie war verschwunden, und Bernhard blieb allein zurück. Er fühlte sich plötzlich einsam und alt und nahm sich vor, nicht mehr gegen sie zu predigen. Nachdenklich schaute er auf seine Hände. Es war vermutlich das letzte Mal, daß er einem jener seltsamen lebenssprühenden Menschen begegnet war, die so ganz Kinder dieser Welt waren und in ihrem Hochmut glaubten, ihr Schicksal selbst in der Hand zu halten oder es Gott abtrotzen zu können. Abélard war so gewesen, wenn er sich richtig erinnerte. Nun, Abélard, der nie Priester hätte werden sollen, war nun tot, über die Enttäuschung gestorben. Alle waren sie seine Gegner gewesen, diese Söhne und Töchter Luzifers, doch nun gestand er sich manchmal ein, daß er sie vermissen würde - sie und den Streit mit ihnen.

    Das Fest von Saint-Denis hatte noch ein Nachspiel, mit dem Alienor nicht gerechnet hatte. Am nächsten Tag kam ihre Hofdame Denise und sagte, eine der ebenfalls wegen der Feier in der Stadt anwesenden Äbtissinnen bitte um eine Audienz. Da sie seit ihrer Unterredung mit Bernhard von Clairvaux guter Laune war, erklärte Alienor sich bereit, die Frau zu empfangen. Heute trug sie ein einfaches blaues Kleid mit den langen, fließenden Ärmeln; sie waren mit Seide abgefüttert, reichten bis zum Boden und gaben den Blick frei auf einen zweiten eng anliegenden Ärmel aus gelbem Satin. Man hatte zunächst erklärt, dies sei eine weitere der unglaublichen Launen der Königin, doch es gab keine Dame, die ihr nicht gefolgt wäre, schon aus Furcht, altmodisch zu erscheinen.
    Alienor war weit davon entfernt, so prunkvoll auszusehen wie bei der Staatsangelegenheit am gestrigen Tag, doch wäre es ihr auch in dem schlichtesten Kleid nicht gelungen, so bescheiden und unauffällig zu wirken wie die Frau, die sich ihr nun näherte. Doch als sie die Züge der Unbekannten sah, war Alienor erstaunt. Diese Nonne trug auf ihrem gealterten Gesicht immer noch die Spuren großer Schönheit. Doch es war mehr als das, Erfahrung und Weisheit schienen sie wie ein sichtbarer Schein zu umgeben.
    Als sie zu sprechen begann, klang ihre Stimme hoch und klar wie die eines jungen Mädchens. »Euer Gnaden, ich flehe Euch an, mir in einer sehr wichtigen Angelegenheit zu helfen. Jetzt, wo das Interdikt aufgehoben ist, sind auch Beerdigungen wieder möglich. Ich habe mich deswegen schon an die Mönche jenes Klosters gewandt, doch sie haben es mir verweigert. Euer Gnaden, ich erbitte die Umbettung des Leichnams von Pierre Abélard nach Paraklet.«
    Mit diesen Worten erkannte Alienor blitzartig, wer ihr gegenüberstand. »Ihr seid es«, flüsterte sie mit aufrichtigerer Ehrfurcht als der, die sie Bernhard von Clairvaux gegenüber aufgebracht hatte.
    Heloise lächelte schwach, und einen Augenblick lang waren sie nur eine Frau und ein Mädchen, das zum ersten Mal der Heldin einer legendären Liebesgeschichte begegnete.
    Alienor war nicht oft sprachlos, aber jetzt suchte sie vergeblich nach irgend etwas, das sie sagen könnte, um Heloise mitzuteilen, wie sehr sie sie bewunderte und mit ihr fühlte, seit sie zum ersten Mal von ihr gehört hatte. Schließlich brachte sie nur unzulänglich hervor:
    »Ihr seid die mutigste Frau, die ich kenne.«
    Die Nonne neigte das Haupt, und Alienor fügte hastig hinzu: »Natürlich, ich verspreche Euch, ich werde Euch helfen.« Ehe sie sich’s versah, bat sie: »Ich bitte Euch, bevor Ihr geht, segnet mich, Ehrwürdige Mutter.«
    Heloise fragte ungläubig: »Ich?« Dann trat sie auf die junge Königin zu und schlug das Kreuz über ihr. »Gott wird Euch Frieden geben«, sagte sie ernst. Ehe sie den Raum verließ, drehte sie sich noch einmal um und sagte mit einem tiefen Gefühl,

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