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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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inzwischen war sein Vater, der ihm in geringerer Eile gefolgt war, bei ihnen angelangt. Geoffrey warf nur einen Blick auf Henrys Gefangene, dann auf seinen Sohn, schnappte nach Luft und ließ sich aus seinem Sattel herab, um niederzuknien.
    »Verzeiht, Euer Gnaden«, sagte er schnell, »wir haben nicht damit gerechnet, Euch hier anzutreffen.«
    »Das dachte ich mir«, entgegnete sie und schaute wieder zu Henry. »Ich war auf einem Ausritt. Ich schlage vor, Graf von Anjou, daß Ihr diesem jungen Mann hier bessere Manieren beibringt, bevor Ihr ihn an den Hof mitnehmt. Lebt wohl!«
    Mit diesen Worten hatte sie ihre braune Stute gewendet und ritt, die beiden Plantagenets zurücklassend, davon. Geoffrey sah zu seinem Sohn und schüttelte den Kopf. »Weißt du, wer das war, Henry?«

    Henry antwortete, ohne seine Augen von der sich entfernenden Gestalt zu lösen: »Jetzt kann ich es mir denken. Macht sie das öfter, ich meine, auf diese Art zu reiten?«
    Sein Vater zuckte die Achseln. »Auf dem Kreuzzug tat sie es ständig, und ich nehme an, hier wollte sie es nicht mehr aufgeben.
    Henry«, seine Stimme wurde mahnend, »ich kenne diesen Blick, laß es bleiben: Diese Frau ist nichts für dich.«
    Henry stieß die Luft aus, die er angehalten hatte. »Wieso nicht?
    Glaubt Ihr, sie sei so unzugänglich?«
    Geoffrey verneinte. »Das ist es nicht. Ich wage zu behaupten, auf dem Kreuzzug hat sie dem armen Louis das Leben herzlich schwer gemacht. Was ich da beobachten konnte… und ich hatte den Verstand, schon vor diesem närrischen Marsch nach Jerusalem wieder zurückzukehren, so daß ich wetten würde, noch nicht einmal die Hälfte mitbekommen zu haben: Nein, es ist nicht so, daß ich sie für zu keusch halte. Aber sie ist reines Gift, Henry, für dich, für jeden Mann. Sie ist wie einer dieser wilden Falken, die du nicht brechen und nicht zähmen kannst, egal, was du auch tust!«
    Er erkannte sofort an Henrys Miene, daß er in den Wind gesprochen hatte. Ja, hätte er kupplerische Absichten gehabt, hätte er nichts Besseres vorbringen können.
    »Wir werden sehen«, sagte Henry und blickte der kleinen, kaum mehr erkennbaren Staubwolke nach. »Wir werden sehen.«

    Regen peitschte mit einer Wucht vom Himmel, die der Feindseligkeit des französischen Hofes beim Empfang des völlig durchnäßten Grafen von Anjou und seines Sohns, des Herzogs der Normandie, kaum nachstand. Die aufsässigen Plantagenets erfreuten sich keiner großen Beliebtheit im französischen Adel. Ja, der Name ›Plantagenet‹ allein war eine Spottbezeichnung, er bedeutete ›Ginsterzweig‹
    und war Geoffrey schon in seiner Jugend beigelegt worden. Geoffrey hatte ihn voller Trotz übernommen und zu einer Ruhmesbezeichnung gemacht, ja, er trug bei allen möglichen Gelegenheiten einen Ginsterzweig am Helm. Die Begegnung zwischen dem König von Frankreich und seinem angevinischen Vasallen fand nicht auf der Ile-de-la-Cite, sondern in dem Kloster Saint-Denis statt, wo Abt Suger gerade im Sterben lag. Louis hatte ihm den Titel ›Vater des Vaterlands‹ verliehen, und seine Entscheidung, sich mit Geoffrey Plantagenet in Saint-Denis zu treffen, war eine letzte Huldigung an die Bedeutung, die Suger für ihn und das Königreich gehabt hatte.
    Ein empörtes Gemurmel verbreitete sich unter den Höflingen, als die Plantagenets mit ihrem Anhang die Abtei betraten, den gefesselten Giraud Berlai im Gefolge. »Das ist mehr als Frechheit«, sagte Raoul de Vermandois aufgebracht zu seinem Nachbarn. »Er ist exkommuniziert worden, weil er einen Seneschall des Königs angegriffen hat, während sein Lehnsherr noch auf Kreuzzug war, und hat dennoch seine Fehde weitergesponnen, bis er Giraud besiegt hatte.
    Und damit nicht genug, hat er jetzt die Stirn, in einem Gotteshaus zu erscheinen und die Autorität des Königs öffentlich zu verspotten!«
    Bernhard von Clairvaux, der trotz seines hohen Alters eingewilligt hatte, zwischen dem König, der Kirche und dem gebannten Grafen von Anjou zu vermitteln, gebot Schweigen. »Geoffrey Plantagenet, Graf von Anjou«, setzte er dann mit seiner raumfüllenden, tragenden Stimme an, »Ihr habt widerrechtlich um einer alten Fehde willen den Frieden des Königs gestört, seinen Seneschall gefangengenommen und außerdem Euren Sohn angestachelt, dem König den Lehnseid zu verweigern. Dennoch soll Euch vergeben und der kirchliche Bann gegen Euch aufgehoben werden, wenn Ihr Giraud Berlai freilaßt, wie es der König wünscht.«
    Während Bernhard

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