Die Löwin von Aquitanien
Zustand beunruhigend. Sie nahm kaum etwas zu sich, war abgemagert und fieberte. Louis sah auf das weiße, durchscheinende Antlitz, sah auf die zarten Handgelenke, an denen man jetzt ein Geflecht von dünnen blauen Adern erkennen konnte, und begann wieder zu sprechen, wie er es seit Stunden tat, ohne eine Antwort zu erhalten.
»Ich weiß, daß du mir die Schuld gibst, weil ich nach Jerusalem gezogen bin. Aber Alienor, ich hätte doch nie seinen Tod gewollt!
Und es war falsch, Thierry die Freiheit zu lassen, dich so zu behandeln, das gebe ich zu. Alienor, es tut mir leid!« Er schluckte. »Ich bitte dich nicht, mit mir zu sprechen, du sollst nur etwas zu dir nehmen - Alienor, du darfst dich nicht noch kränker machen, ich brauche dich, ich liebe dich!«
Er verstummte, und als er es kaum mehr erwartete, hörte er ihre Stimme.
»Deine Güte ist unerschöpflich, nicht wahr?« fragte sie schwach, und man konnte Unwillen sowie ein undeutbares zweites Gefühl erkennen. »Jeder andere würde mich inzwischen hassen, aber du liebst mich. Gott helfe uns beiden!«
Louis war so überwältigt, daß sie ihre stumme, schweigende Trauer überwunden hatte, daß er nicht darauf achtete, was sie sagte.
Er meinte beschwörend: »Es wird alles wieder in Ordnung kommen, Liebste. Der Heilige Vater selbst hat uns nach Tusculum eingeladen, bevor wir nach Frankreich zurückkehren, und er schreibt mir, daß er mit uns über unsere Ehe sprechen möchte.«
Das brachte sie dazu, sich mühsam aufzusetzen. »Er möchte… um Himmels willen, Louis, wie kommt er denn darauf?«
»Nun, ich war… seit Antiochien war ich so unglücklich, daß ich Suger über das geschrieben habe, was du gesagt hast, über unsere Verwandtschaft. Und Suger unterrichtete den Heiligen Vater.«
»Wie… gütig von ihm«, sagte Alienor tonlos. Louis nickte. » Das finde ich auch! Suger war dir ein echter Freund, Alienor. Er hat mir geraten, alle Entscheidungen über dich und mich ruhen zu lassen, bis ich mich mit Seiner Heiligkeit dem Papst besprechen kann.«
»So.«
Louis klatschte in die Hände und rief nach einem Becher heißen Würzweines für die Königin.
»Du wirst doch jetzt wieder essen, Alienor, und dich bemühen, gesund zu werden?«
»Sicher«, sagte sie, immer noch ohne besondere Betonung. Sie musterte ihren Gemahl. Louis war rührend, dachte sie, nur konnte er einen damit zum Wahnsinn treiben. Und Raymond - »Ich werde wieder gesund werden, Louis, und ich danke dir für alles, was du für mich getan hast. Aber laß mich jetzt bitte allein.«
Der Papst war die Freundlichkeit selbst und versicherte Louis zu dessen unendlicher Erleichterung, daß seine und Alienors Verwandtschaft harmlos war. Sein Vorfahr, Robert der Fromme, war der Großvater ihrer Urgroßmutter Audearde, was nach dem weltlichen Recht eine Verwandtschaft neunten Grades, nach kanonischem Recht jedoch eine im vierten Grad bedeutete. Wenn man nach kanonischem Recht ging, so war die Ehe tatsächlich nichtig. Doch der Papst erteilte ihnen vorsorgend Dispens und brachte sie in höchsteigener Person als Zeichen der Versöhnung in das Zimmer, das er für sie vorbereitet hatte - und in dem nur ein Bett stand.
Alienor schloß daraus, daß Suger oder die Kirche wohl entschieden haben mußten, daß sie ihnen als Königin von Frankreich mehr nützen würde denn als unabhängige Herzogin von Aquitanien. Aber was konnte ihr das schon ausmachen? Als sie am Martinstag des Jahres 1149 mit Louis in Paris einzog, empfand sie nur unverwundene Trauer und tiefe Resignation.
III
Henry
Die sind des eignen Lebens Diebe,
Die nicht erfüllt das Maß der Liebe;
Ihr Maß ist, wollt ihr’s selbst erfahren,
Daß sie nicht mag Vernunft bewahren.
Marie de France
Teufel«, sagte Henry Plantagenet, »wenn das nicht nach Regen aussieht! Wir werden morgen im Schlamm nach Paris waten müssen.« Der neunzehnjährige Herzog der Normandie blickte über das Lager hinweg, das die Männer seines Vaters einige Meilen vor der französischen Hauptstadt errichtet hatten. Nicht, daß man Paris nicht schon heute hätte erreichen können, aber sein Vater und der französische König standen kurz vor einem Krieg, und selbst bei dem frommen Louis wäre es töricht gewesen, den Kopf in die Höhle des Löwen zu stecken.
Geoffrey Plantagenet hörte seinen Sohn und lachte. »Und wenn schon! Wir sind nicht aus Zucker, Henry - für den guten Giraud allerdings wird es so noch unangenehmer sein!«
Henry erwiderte nichts. Um sie
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