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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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Sonnenuhr, die einst der ganze Stolz des
toten Herrn gewesen war. Und dort direkt vor dem Fundament, das der Herr einst
gebaut hatte, keine zehn Meter von Firyal entfernt, erblickte sie etwas, das
ihr die Haare zu Berge stehen ließ:
    Ein schwarzer Schatten duckte sich auf den
Boden. Erst war er ganz still, dann wankte er plötzlich auf und nieder, vor und
zurück und sank schließlich wieder auf dem Boden zusammen. Dabei wimmerte er so
schaurig, dass Firyal vor Entsetzen fast das Herz stehenblieb. „Ein Dschinn!“,
schrie sie. „Ein Dämon! Allah helfe diesem Haus!“
    Der Schatten fuhr herum und starrte direkt in
Firyals Richtung. Halb ohnmächtig vor Angst warf sie die Tür ins Schloss, schob
den Riegel vor und wollte in ihr Bett flüchten. Aber in der stockfinsteren
Kammer stolperte sie, fiel über einen Hocker und schlug sich die Knie auf. Als
sie endlich ihr Bett erreichte, rollte sie sich unter der Decke zusammen,
umklammerte das Amulett, das sie an einem Lederband um den Hals trug, und
begann, mit zitternder Stimme den Koran zu beschwören: „Es gibt keinen Gott
außer Allah! Er ist der Lebendige und Beständige. Ihn überkommt weder Schlummer
noch Schlaf. Ihm gehört alles, was im Himmel und auf Erden ist…“
    Im Haus polterte, krachte und lärmte es, und
sie schrie erneut vor Angst. Gleich darauf schlugen in der ersten Etage, wo die
Herrschaft wohnte, Türen, Füße liefen über den Umgang. Dann hörte Firyal die
Stimme der Herrin.
    „Allah sei Dank! Wir sind gerettet!“,
flüsterte sie und brach in Tränen aus.
     
    „Ein böser Geist? Unsinn! Es gibt weder gute
noch böse Geister!“ John stand vor Firyals Kammer und schüttelte unwillig den
Kopf. Mit vom Schlaf zerzausten Haar, barfuß und in einem langen weißen
Nachthemd sah er selbst fast wie ein Gespenst aus. Hinter ihm schaute Victoria
über seine Schulter. Unter ihrer verrutschten Nachthaube hatte sich ihr langes Haar
gelöst, in einer Hand hielt sie eine flackernde Lampe. Mit vor Schreck
geweiteten Augen beobachtete sie Sibylla und Nadira, die neben Firyal auf dem
Bett saßen und versuchten, sie zu beruhigen. Die Dienerin schluchzte laut, und
in der oberen Etage waren Charlotte und Selwyn aufgewacht und heulten ebenfalls
durchdringend. „Ich schaue nach den beiden“, bemerkte Victoria eilig und
verschwand.
    „Kannst du mir zeigen, wo du den Geist
gesehen hast?“, fragte Sibylla Firyal. Die Dienerin starrte sie nur entsetzt an
und schüttelte den Kopf.
    Sibylla legte ihr eine Hand auf den Arm. „Hab
keine Angst, wir sind bei dir. Niemand wird dir etwas tun!“
    „Ja, Herrin.“ Firyal stand ergeben auf und
ging zur Kammertür. „Da“, sagte sie und zeigte auf die Sonnenuhr. „Da war er.“
    Sibylla starrte sie an. „Bist du sicher?“
    „Ja, Herrin.“ Firyal nickte nachdrücklich.
„Dort bei der Sonnenuhr war der Dämon und hat seinen grausigen Tanz
aufgeführt.“
    Sibylla trat durch die Tür und starrte mit
zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit. Auf den ersten Blick sah der Platz
aus wie immer. Hatte Firyal doch nur schlecht geträumt?
    In diesem Moment kam der Torwächter um die
Ecke, dicht gefolgt vom Koch. „Herrin, Herr, im Haus war ein Einbrecher! Jemand
hat die Küchentür zur hinteren Gasse aufgebrochen. Und das habe ich auf dem
Küchenboden gefunden.“ Hamid streckte Sibylla und John ein Stemmeisen entgegen.
    „Ein Einbrecher also, und damit hat er die
Tür aufgehebelt!“ John nahm das Stemmeisen und drehte es prüfend in seinen
Händen. „Verdammt noch mal, wozu haben wir dich eigentlich?!“, fuhr er Hamid
an.
    „Seine Kammer liegt auf der anderen Seite des
Hauses, neben der Haupttür. Er konnte den Einbrecher genauso wenig hören wie
wir“, mischte Sibylla sich ein. „Wahrscheinlich ist er geflohen, als Firyal geschrien
hat.“ Sie gab sich Mühe, ruhig zu erscheinen, aber der Vorfall beunruhigte sie
tief. Nächtliche Einbrüche kamen in Mogador nicht oft vor, denn die Stadttore
wurden fest verriegelt und streng bewacht, aber ein zu allem entschlossener
Verbrecher hätte ihnen leicht die Kehlen durchschneiden können. „Findest du es
nicht seltsam, dass er nur auf dem Hof war?“, fragte sie ihren Sohn. „Warum hat
er keine Wertgegenstände aus den Zimmern gestohlen?“
    „Du hast recht“, antwortete John. „Ich werde
noch einmal alles genau mit Hamid durchsuchen. Vielleicht fehlt doch etwas.
Victoria schicke ich mit den Kindern zu euch herunter. Es ist sicherer, wenn
ihr alle zusammenbleibt. Du

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