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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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bürgst mir für die Sicherheit der Frauen und
Kinder!“ Er zeigte auf den Koch.
    Nachdem er mit Hamid verschwunden war, ging
Sibylla zur Sonnenuhr und betrachtete den Boden mit gefurchter Stirn. Kein
Zweifel, jemand hatte begonnen, Teile des Fundaments freizulegen. Aber warum?
Etwas blinkte im Mondlicht. Sie kniete nieder und entdeckte eine kleine
Handschaufel, die der Einbrecher bei seiner Flucht in der zerwühlten Erde
vergessen hatte. Während sie die Schaufel in die Hand nahm und betrachtete,
wurde ihr klar, dass der Einbrecher etwas ganz Bestimmtes gesucht hatte und
genau wusste, wo er es fand. Eine eisige Hand kroch ihr über den Rücken, und
sie hatte das Gefühl, in einen bodenlosen Abgrund zu fallen.
    Das kann nicht sein, dachte sie. Nur ich
weiß, was hier vergraben war, und ich habe mit keiner Seele darüber gesprochen.
Der Mensch, der das Gold hier vergraben hat, der Einzige außer mir, der noch
davon wusste, ist tot!
    Doch die zerwühlte Erde, die vergessene
Schaufel sprachen eine andere Sprache. Sibyllas Blick kreiste durch den Garten,
bohrte sich in dunkle Ecken und wanderte die Hausmauern zum Flachdach empor,
während eine drängende Stimme in ihr fragte: Wie kannst du so sicher sein, dass
Benjamin tot ist? Hast du seine Leiche gesehen? Hast du ihn zu Grabe getragen?
    Sie schaute zu der kleinen Gruppe Menschen
vor Firyals Kammer, wie sie sich ängstlich nach allen Seiten umsahen, leise und
besorgt über den Einbruch sprachen. Diese Menschen lagen ihr am Herzen, sie
bildeten ihre Familie, und sie wollte sie vor dieser unbekannten Gefahr
beschützen, die sich in ihr Haus geschlichen hatte.
    Mit ganzer Willenskraft zwang sie ihre
Gedanken zur Ruhe.
    Sei vernünftig, beschwor sie sich. Bleib
ruhig! Du hast mit eigenen Augen gesehen, dass die Festung auf der Insel
Mogador nach der Bombardierung bis auf die Grundmauern niedergebrannt war.
Dieses Inferno hat niemand überlebt!
    Nachdenklich strich sie mit einem Finger über
das glänzende kalte Blatt der kleinen Handschaufel. Wer war in ihr Haus
eingedrungen? Wer außer ihr und Benjamin wusste noch von dem Sklavengold?
     
    Mogador im November 1861
     
    Sibylla blickte den zarten Dampfschleiern
nach, die sich unter der hohen blau, weiß und grün gefliesten Kuppel sammelten
und durch die Belüftungsschlitze im Mauerwerk davonschwebten. Es war eine Ehre,
mit den Frauen von Kaid Samir el Tawfiq in deren eigenem Hamam baden zu dürfen.
Sie genoss den Duft von Weihrauch, Nelken und Sandelholz aus den vielen
Kohlebecken, die Wärme der beheizten Marmorbank, auf der sie saß, die
Frauenstimmen, die wie eine leise Melodie durch den Raum plätscherten, und das
gedämpfte Klappern ihrer Holzpantinen auf dem steinernen Boden. Nicht weit von
ihr entfernt planschten drei junge Konkubinen des Kaids in einem großen runden
Wasserbecken und bespritzten sich, ausgelassen und nackt, wie Gott sie
geschaffen hatte. Alle Frauen hier bewegten sich trotz ihrer Nacktheit
natürlich und ohne falsche Scham, und sie alle wirkten auf ihre Art schön. Egal
ob sie jung und schlank wie eine Gazelle waren, ob ihr Körper die Zeichen des
Alters oder vieler Schwangerschaften trug, ob sie Brüste wie kleine runde Äpfel
oder wie große schwere Birnen hatten. Nur die Sklavinnen, die ihre Herrinnen
pflegten, wuschen und umsorgten, hatten sich in dünne Baumwolltücher gewickelt.
    Hinter Sibylla stand eine von ihnen und
verrieb eine Paste aus Salz und duftendem Honig auf ihrem Rücken.
    „Oh, das tut weh!“, klagte sie, als die
Sklavin sie kräftig massierte.
    „Verzeihen Sie, Sayyida, aber Ihr Rücken ist
härter als die Bank, auf der Sie sitzen. Sie tragen zu viele Sorgen darauf“,
erklärte die Sklavin und knetete mit kundigen Händen Sibyllas Muskulatur.
    „Das mag wohl sein“, murmelte diese und
dachte an den rätselhaften Einbruch in ihrem Haus vor drei Wochen. Sie und John
hatten Nachforschungen angestellt, doch bis jetzt ohne Erfolg, und die
Ungewissheit lastete auf ihr.
    „Lassen Sie sie nur machen, Mrs. Hopkins“,
warf Lalla Jasira ein, die neben Sibylla auf der Bank saß. „Sie wird Ihnen
helfen, sich besser zu fühlen. Schließlich soll der Besuch des Bades nicht nur
der Schönheit, sondern auch der Gesundheit dienen.“
    „Ich weiß nicht, wie ich jemals auf dieses
Vergnügen verzichten konnte“, stimmte Sibylla zu. „Es ist wie der Himmel auf
Erden.“
    „Und der perfekte Abschluss eines guten
Geschäftes, nicht wahr?“, ergänzte Lalla Jasira zufrieden.
    Sie hatte

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