Die Loewin von Mogador
Emily zu Christian und André junior. „Geht nur,
ich kümmere mich um die Milch.“
Nachdem die Jungen fort waren, nahm sie eine
saubere Tonschale von dem Holzregal auf dem Melkplatz, einen Strick von einem
Eisenhaken an der Wand und begab sich zu der Ziegenherde. Nur fünf Tiere
warteten noch mit vollem Euter und drängten sich meckernd um Emily. Sie schlang
der ersten Ziege den Strick um den Hals, band sie an einem Ring in der Wand
fest, stellte die Schale unter das Euter und hockte sich auf den Boden.
„Darf ich helfen?“, fragte eine Stimme hinter
ihr.
„Sabri!“ Emily hatte gar nicht gemerkt, dass
er ihr in den Stall gefolgt war. „Du kannst melken?“
Er schüttelte den Kopf. „Leider nein. Zeigst
du es mir?“
„Warum nicht? Setz dich auf die andere Seite
der Ziege. Eigentlich werden sie von hinten gemolken, aber wenn du es von mir
lernen willst, ist es so besser. Wir nehmen jeder eine Zitze, und du machst
genau das nach, was ich vormache.“ Langsam zeigte sie ihm, was er tun musste.
Das Euter des Tieres fühlte sich angenehm warm und weich an, als sie mit den
Daumen dagegendrückte und dann die Milch mit den Fingern an der Zitze
ausstrich. Die Ziege drehte den Kopf und starrte Emily aus großen braunen Augen
an – so, als wollte sie fragen: „Warum machst du so langsam?“
Dann versuchte Sabri sein Glück. Doch sosehr
er sich auch bemühte: Nur ein paar Tropfen Milch spritzten aus dem Euter. Das
Tier riss ungeduldig am Strick und trat nach ihm. Die Tonschale kippte um, und
das bisschen Milch darin lief auf den Boden.
„Mit Gefühl, Sabri! Wo sind deine
empfindsamen Doktorenhände geblieben?“ Emily wollte sich ausschütten vor
Lachen.
„Spotte nur!“ Er blickte sie über den Rücken
der Ziege hinweg hilflos an. „Kann ich ahnen, dass Melken eine Wissenschaft
ist, für die man das Geschick eines Wundarztes benötigt?“
„Ich zeige es dir noch mal“, sagte Emily
geduldig. Ohne den Blick von Sabri zu wenden, griff sie unter der Ziege
hindurch, nahm seine Hände und legte sie an das Euter des Tieres.
„So“, fuhr sie leise fort. „Jetzt bittest du
sie mit deinen Fingern, dir ihre Milch zu geben. Aber du musst es sanft tun,
liebevoll. Schließlich willst du, dass sie dir die Nahrung für ihre Kinder
überlässt.“
Emilys Finger lagen immer noch über denen von
Sabri. Stetig und gleichmäßig führte sie ihn durch die drückenden und streichenden
Bewegungen, und bald spritzte ein dünner Milchstrahl in die Tonschüssel.
„Ich kann es!“, rief Sabri begeistert.
„Wirklich? Soll ich dir nicht noch ein
bisschen helfen?“
„Doch.“ Er zwinkerte ihr zu. „Das wäre
schön.“
Ihre Augen trafen sich und ließen einander
nicht mehr los. Langsam kamen ihre Gesichter sich näher. Als ihre Lippen sich
über dem braunen Rücken des Tieres berührten, schloss Emily die Augen und
tauchte in das wunderbare Gefühl ihres ersten Kusses. Irgendwo tief in ihrem
Bewusstsein erinnerte sie sich an etwas, das Thomas einmal zu ihr gesagt hatte
– dass Sabri einem arabischen Mädchen in Mogador versprochen war –, aber sie
schob den Gedanken beiseite, vor allem, als Sabri ihr Gesicht umfasste und sie
immer weiter und weiter küsste. Erst als die Ziege laut meckerte und an ihrem
Strick riss, fuhren sie auseinander.
„Das war schön“, flüsterte Emily und band das
Tier mit zittrigen Fingern los.
„Wir könnten das bei Gelegenheit
wiederholen“, schlug Sabri hoffnungsvoll vor.
Sie atmete tief durch und sah in seine warmen
freundlichen Augen. Vielleicht stimmte es ja gar nicht, was Thomas erzählt
hatte. Vielleicht gab es diese arabische Braut überhaupt nicht. Zumindest
verhielt Sabri sich nicht, als würde irgendwo eine andere auf ihn warten.
„Warum erst bei Gelegenheit? Dort drüben sind
wir jetzt schon ungestört.“ Sie nahm seine Hand und führte ihn zu einer
ungenutzten Pferdebox in der hintersten Ecke des Stalles. Sabri zog sie an
sich, und eng umschlungen sanken sie auf die dünne Strohschicht, die den
Lehmboden bedeckte. In der Box neben ihnen schnaubte Andrés Pferd. Es war warm
hier im Stall, roch nach Leder, Stroh und Tieren, und Emily konnte sich nicht
erinnern, wann sie sich je so lebendig gefühlt hatte wie jetzt mit Sabri.
Er küsste sie lange und hingebungsvoll, und
als er sagte: „Weißt du, dass ich dich liebe, Emily?“, kannte ihr Glück keine
Grenzen.
„Ich liebe dich auch.“ Sie nahm seine Hand
und führte sie in den Ausschnitt ihrer Tunika. Er zuckte
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