Die Loewin von Mogador
Teppich
natürlich! Nichts für ungut, Exzellenz, aber da der Sultan seinen Gästen nur
klapprige Maultiere zur Fortbewegung anbietet, musste ich mich selbst um ein
ordentliches Pferd kümmern!“
Der Statthalter warf dem Engländer einen
finsteren Blick zu. Eine auffallende Sonnenuhr, Karpfen vom anderen Teil der
Welt, Kleidung, gefertigt aus den feinsten Stoffen, und jetzt dieser
wundervolle Hengst – es interessierte ihn brennend, woher der Engländer die
Mittel für all diese Reichtümer nahm.
Ich werde einen meiner Spitzel auf ihn
ansetzen, überlegte Hash Hash und betrachtete neidisch das fuchsrote Pferd, das
der Seilzug inzwischen auf dem Kai abgesetzt hatte.
Voller Besitzerstolz marschierte Benjamin
darauf zu und wollte das Halfter packen, doch in diesem Moment segelte eine Möwe
mit kühnem Schwung über ihnen. Das Pferd scheute, bäumte sich auf und schlug
mit den Vorderhufen in die Luft.
„He! Was hast du denn? Ruhig!“ Benjamin
sprang zurück. Sein hoher Zylinder, der ihn unter den kleineren arabischen
Männern lang und dünn wie ein Schilfrohr wirken ließ, fiel herunter.
Der Kaid lachte krächzend: „Ihr Pferd will
schon wieder fliegen, Englizy. Ich glaube, es kennt den Koran. Dort steht
geschrieben: Du sollst fliegen ohne Flügel!“
Aber Benjamin hörte ihn nicht. Er jagte
seinem Zylinder nach, den der Wind über den Kai trieb.
Der Statthalter trat langsam auf das Pferd
zu. Bei Allah, was für ein wundervoller Hengst, dachte er und beglückwünschte
sich, weil er dem Engländer angeboten hatte, ihn in seinen Stallungen
unterzubringen. Er würde dem prächtigen Tier einige seiner Stuten zuführen, und
er würde ihn reiten, ohne dass der Englizy davon erfuhr, natürlich. Der ritt
ohnehin nicht besser als ein Affe auf einem Kamel und wollte mit diesem Tier
nur protzen.
„Seien Sie vorsichtig, Exzellenz!“, rief
Benjamin, als der Hengst nervös die feuerfarbene Mähne schüttelte, während der
Statthalter sich ihm näherte.
Doch der Kaid ließ sich nicht beirren.
Unaufhörlich in einem tiefen einschmeichelnden Singsang vor sich hinmurmelnd,
fasste er nach dem Halfter und klopfte dem Tier beruhigend den Hals. Der Hengst
schnaubte, blieb aber ruhig stehen, und Benjamin verfolgte verblüfft, wie der
Araber die Flanken streichelte, sich anschließend bückte und die Beine
betastete, während einer der Matrosen vorsichtig die Gurte löste.
„Er hat die Brust eines Löwen, und seine
Beine sind bemuskelt wie die des wilden Straußes“, bemerkte der Kaid
anerkennend.
Benjamin rückte seinen Zylinder zurecht und
erwiderte geschmeichelt: „Er stammt aus der Zucht von Earl Godolphin und hat in
England manches wichtige Rennen gewonnen. Ich wette hundert Pfund, dass er
jedes ihrer kleinen Araberpferde hinter sich lässt.“
Die Augen des Kaids funkelten, doch leider
hatte der Prophet das Glücksspiel verboten. Schweren Herzens entgegnete er:
„Ihnen zuliebe verzichte ich auf den Wettstreit, Mr. Hopkins - ein arabisches
Pferd ist unbesiegbar.“
„Sie scherzen!“, rief Benjamin. „Auf meinem
englischen Hengst würde sogar mein dreijähriger Sohn als Erster ins Ziel
kommen!“
Wütend bleckte der Kaid die Zähne. „Bevor Sie
sich auf diesen Hengst setzen, werden Sie erst einmal die Einfuhrsteuer für ihn
bezahlen, sonst sehe ich mich gezwungen, ihn zu beschlagnahmen.“
Benjamin schluckte eine hitzige Erwiderung
hinunter. Hash Hash, diesem Halsabschneider, traute er alles zu. Es muss am
Ramadan liegen, dass die Muselmänner so unleidlich sind, dachte er. Es kann ja
auch nicht gesund sein, den ganzen Tag auf die elementarsten Bedürfnisse
verzichten zu müssen und sich nach Sonnenuntergang den Bauch vollzuschlagen.
Kein Wunder, wenn sie am Morgen mit einem verdorbenen Magen und schlechter
Laune aufwachen! Er starrte dem Kaid, der grußlos davon stapfte, hinterher.
„Dieses Mal also ein edles Rennpferd, das Sie
dem Araber vor die Nase setzen. Hat Ihnen niemand gesagt, dass es ziemlich dumm
ist, die Backen so aufzublasen?“, raunte eine Stimme hinter Benjamin.
Erschrocken fuhr dieser herum: „Brown! Um
Himmels willen! Ich habe sie gar nicht bemerkt! Müssen Sie sich so
anschleichen?“
Der Kapitän der Queen Charlotte grinste.
Benjamin sah seine verfaulten Zahnstümpfe und verzog angewidert das Gesicht. In
seinem dunklen Gehrock, mit den strähnigen grau durchzogenen Haaren und
stechenden dunklen Augen wirkte Brown wie eine verschlagene Krähe. „Wir sollten
jetzt gehen“, stellte er
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