Die Loewin von Mogador
hochgeschlossenes dunkles
Kleid glatt. „Aber Mrs. Hopkins treibt ja auch Handel mit Maurinnen. Sie zieht
sich sogar an wie eine von ihnen. Sie ist eine unmoralische Frau!“
„Wenn ein Mann wie Rouston sich für mich
interessieren würde, wäre ich auch eine unmoralische Frau“, entgegnete die
Französin unbeeindruckt. „Ah, bonjour, Monsieur Rouston! Quel plaisir!“, rief
sie und streckte André ihre behandschuhte Rechte entgegen. „Sie haben also Ihr
abgeschiedenes Heim in den Bergen verlassen, um das Osterfest mit uns zu
feiern. Oder hat Ihr Besuch in der Stadt einen anderen Grund? Eine heimliche
Liebe vielleicht?“ Sie betrachtete ihn unter halb geschlossenen Lidern.
André ignorierte die letzten Worte und beugte
sich über ihre Hand. Dann lächelte er der Runde zu: „Ich wünsche Ihnen frohe
Ostern, meine Damen. Sie alle sind schöner als Paradiesvögel, wenn Sie mir die
Bemerkung erlauben.“
Die Frauen lachten geschmeichelt, sogar die
Mundwinkel der Niederländerin zuckten. Nur Sara wirkte unbehaglich. Die
Französin winkte eine Dienerin mit einem Tablett herbei.
„Gewiss trinken Sie eine Tasse Tee mit uns,
Monsieur Rouston?“ Sie nahm eine der weißen Porzellantassen und reichte sie ihm
mit einer anmutigen Geste.
Zu ihrem Leidwesen ergriff André sie mit
abwesender Miene. „Haben Sie Madame Hopkins gesehen?“, fragte er Sara. „Ich war
sicher, ich würde sie in Ihrer Gesellschaft finden. Sie sind doch Freundinnen.“
„Bedaure, ich weiß nicht, wo Mrs. Hopkins
ist. Ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen“, erwiderte Sara.
André starrte sie verblüfft an.
„Wenn sie sich überhaupt traut, hier zu
erscheinen“, warf die Spanierin spitz ein, und die Niederländerin fügte giftig
hinzu: „Es wäre zumindest besser für Sie, zu Hause zu bleiben!“
„Warum urteilen Sie so hart über Mrs.
Hopkins, meine Damen? Ich bin sicher, sie hat Ihre schlechte Meinung nicht
verdient!“, bemerkte André.
Die Spanierin schwieg, doch die
Niederländerin erklärte halsstarrig: „Wir sind hier alle dieser Meinung. Diesen
Leuten verdanken wir schließlich, dass der Kaid unsere Männer verhört hat wie
beliebige Kriminelle! Bei einigen Kaufleuten ließ er Hausdurchsuchungen
durchführen. Dabei ist Mr. Hopkins der einzige europäische Sklavenhändler der
Stadt!“
„Soweit ich weiß, ist seine Schuld noch nicht
erwiesen“, gab André scharf zurück.
„Er steht wohl nicht grundlos unter Verdacht,
und das fällt auf die gesamte ausländische Kaufmannschaft von Mogador zurück“,
behauptete die Brasilianerin hitzig. „Mr. Hopkins hat ehrenwerte Bürger in
Verruf gebracht. Ich für mein Teil wünsche nicht, mit Betrügern und
Menschenhändlern in Verbindung gebracht zu werden!“
André konnte sich kaum noch beherrschen: „Mit
ehrenwert meinen Sie vermutlich Ihren eigenen Mann. Hat er sein Vermögen in
Brasilien nicht auf dem Sklavenmarkt von Salvador da Bahia gemacht?“
Die Brasilianerin funkelte ihn an. „Wie
können Sie es wagen!“
„Wenn Sie ein Mann wären, würde ich noch viel
mehr wagen“, fuhr André sie an.
„Lassen Sie nur, Monsieur Rouston – auch wenn
es Sie ehrt, dass Sie sich für uns einsetzen!“
Sibylla stand hinter ihm, weiß im Gesicht.
Aber sie hielt den Rücken gerade und das Kinn erhoben. Rechts und links hatte
sie die Arme um ihre Söhne gelegt. Tom und Johnny drängten sich an die Seite
ihrer Mutter und blickten mit aufgerissenen Augen von einem zum anderen.
„Sie schweigen, meine Damen? Nur zu, keine
Angst! Wiederholen Sie Ihre Anklagen vor mir und vor meinen Kindern!“ Sibyllas
Stimme klang eisig.
André machte einen Schritt auf sie zu. Er
spürte, wie verletzt sie war, und wollte sie vor diesen einfältigen und
selbstgerechten Frauen beschützen. Aber ihr Blick gebot ihm Einhalt.
„Ob die Vorwürfe gegen meinen Mann stimmen,
wird sich bald herausstellen“, begann sie mit fester Stimme. „Sollten sie sich
als wahr erweisen – was ich persönlich nicht glaube –, liegt die Verantwortung
dafür allein bei ihm. Ich oder meine Kinder haben damit nicht das Geringste zu
tun. Wir müssen uns vor Ihnen zwar nicht rechtfertigen, aber wenn die Lügen
über uns Sie so sehr beschäftigen, dürfen Sie sich vertrauensvoll an mich
wenden. Ich werde all Ihre Fragen nach bestem Wissen beantworten.“ Sibylla
blickte in die Runde. „Also?“
Alle schwiegen. Die Brasilianerin hustete,
Sara starrte auf ihre Hände, und die Spanierin versteckte sich hinter
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