Die Loewin von Mogador
Hinterhalt, schossen Soldaten
nieder, steckten Garnisonen in Brand und flüchteten blitzschnell wieder über
die Grenze nach Marokko zu ihren Verbündeten den Ait Bouyahi-Berbern. Deren
Führer Thabit El Katthabi unterstützte Abd El Kader dabei, die Franzosen aus
Algerien zu vertreiben. Danach wollte der Algerier ihm in Marokko helfen,
Sultan Abd Er Rahman vom Thron zu stürzen, damit El Katthabi Herrscher werden
konnte.
Der Konsul wollte nun, dass Rouston nach
Marrakesch ritt und den Sultan warnte. Und er sollte ihn dazu bringen, den
Franzosen dafür Abd El Kader auszuliefern. Andernfalls sollte er militärische
Vergeltungsmaßnahmen gegen wichtige Handelshäfen wie Tanger oder Mogador
androhen.
André hatte sich mit der schwierigen Mission
einverstanden erklärt. Er war jedoch nicht sofort nach Marrakesch geritten,
sondern erst nach Mogador. Er wollte Sibylla warnen und ihr und ihren Kindern
für den Fall einer Bombardierung Mogadors den Schutz seiner Freunde, der
Chiadma anbieten.
André erreichte ein prunkvolles Zelt aus
roten und grünen Bahnen, das nahe der Stadtmauer aufgebaut war. An einer
Längsseite waren die Zeltbahnen zur Seite gerafft, und er sah Menschen, die auf
Teppichen auf dem Sand standen und sich lebhaft unterhielten. Andere hatten es
sich auf mit Polstern und Decken verhüllten Bänken bequem gemacht oder saßen
nach europäischer Sitte auf Stühlen, die um kleine runde Tische gruppiert waren.
An der rückwärtigen Längswand war aus Brettern und Böcken eine prächtige Tafel
aufgebaut. Diener brachten Geschirr, Gläser und Porzellan. Andere schleppten
Körbe und Tongefäße mit Speisen von Lasteseln herbei. Vor dem Zelt brannten
mehrere Feuer, über denen sich an Spießen Lammbraten drehten. Köstliche
Wohlgerüche von gewürztem Fleisch stiegen André in die Nase und mischten sich
mit dem Duft von frischem Hefegebäck, das eine Dienerin an ihm vorübertrug.
„Felices Pascuas, Senor Rouston!“ Ein
spanischer Kaufmann, der schon oft Safran von ihm bezogen hatte, hielt ihn
fest, und bevor André wusste, wie ihm geschah, tickte der Mann ein hart
gekochtes Ei gegen seinen Kopf. „Es ist heil geblieben! Sie werden ein Jahr
Glück haben!“, rief der Spanier und wollte sich vor Lachen ausschütten. Dann
sah er die Miene des Franzosen. „Was hat dieser ernste Blick zu bedeuten? Haben
die Mäuse Ihre Safransetzlinge gefressen?“
André rang sich ein schiefes Lächeln ab: „Das
wäre allerdings eine Katastrophe, aber nein, es ist alles in Ordnung. Ich suche
Madame Hopkins. Ich möchte ihr ein frohes Osterfest wünschen. Haben Sie sie
gesehen?“
„Lo siento.“ Der Spanier schüttelte bedauernd
den Kopf. „Aber vielleicht ist sie bei meiner Frau. Sie sitzt irgendwo hinten
im Zelt.“
André fand die Senora in einer Gruppe von
fünf Damen, unter denen er zwar Sara Willshire, nicht aber Sibylla entdeckte.
Die Frauen saßen um einen kleinen runden Tisch und unterhielten sich angeregt.
Die Gattin des französischen Konsuls, eine elegante, kapriziöse Frau, entdeckte
ihn zuerst und beugte sich zu ihren Freundinnen. „Sehen Sie nur, welch seltener
Gast uns beehrt!“ Ihre braunen Augen musterten wohlgefällig Andrés Gestalt.
„Ein schöner Mann, nicht wahr?“, flüsterte sie ihrer spanischen Amtskollegin
zu, und die Straußenfedern in ihrer hochgetürmten Frisur wippten neckisch. Die
Spanierin blickte sie über den Rand ihres Fächers hinweg an. „Stimmt es, dass
er auf Bitten von Madame Hopkins bis nach Marrakesch geritten ist, um sich beim
Sultan persönlich für ihren Mann zu verwenden?“
„Das sagt man, oui“, nickte die Französin.
„Ob dieses Engagement wohl an Madames schönen blauen Augen lag?“
„Wie meinen Sie das?“, fragte Sara Willshire
pikiert dazwischen. Aber die Französin zog nur die dünn gezupften Brauen empor
und schwieg.
„Seien Sie doch nicht so ein Unschuldslamm,
Senora Willshire!“, mischte sich die Frau des brasilianischen Konsuls ein. „Mir
haben Sie doch auch erzählt, dass der Franzose Senora Hopkins nach der
Verhaftung ihres Mannes in ihrem Haus besucht hat. Man stelle sich nur vor – in
ihrem Haus!“
Sara errötete. „Vielleicht hat er sich nach
ihrem Wohlergehen erkundigt.“
„Gewiss, meine Liebe, gewiss“, warf die
Französin spöttisch ein.
„In jedem Fall ist es ungehörig, Herrenbesuch
zu empfangen, wenn der eigene Gatte nicht dabei ist“, ließ sich die Frau eines
niederländischen Kaufmanns vernehmen und strich ihr
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