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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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wütete der Sultan. „Was macht man in Ihrem Land mit einem
Verräter, Mrs. Hopkins? Sagen Sie es Uns, und Wir werden es dieser Hyäne El
Katthabi antun!“
    „Nun, Kaiserliche Majestät, ich vermute, dass
auch in England auf Hochverrat die Todesstrafe steht“, stotterte die völlig
überrumpelte Sibylla. „Allerdings nicht in der Löwengrube.“ Sie warf den
Raubtieren, die fauchend ihre langen scharfen Fangzähne entblößten, einen
vorsichtigen Blick zu.
    Der Sultan stutzte. Sibylla hätte schwören
können, dass seine Mundwinkel zuckten. Er wandte sich an André: „Ihre
Information war ihren Preis wert. Aber Wir können Abd El Kader Ihrer Regierung
nicht ausliefern. Er hat zu viele Freunde in Unserem Land, die die Auslieferung
als Verrat betrachten und nach Rache schreien würden.“
    „Damit begeht Ihr einen großen Fehler,
Majestät“, beschwor André ihn. „Die französische Regierung will Abd El Kader –
um jeden Preis.“
    Der Sultan nahm ein silbernes Tablett mit
kandierten Datteln und bot Sibylla und André davon an. „Sagen Sie den
Franzosen: Es zählt nicht die Zeit, die wir auf der Jagd verbringen, sondern
die Beute, die wir erlegen. Zum richtigen Zeitpunkt wird Abd El Kader diese
Beute sein.“ Er schob sich eine Dattel in den Mund und kaute genießerisch.
    In diesem Moment huschte wieder ein Sklave
aus dem Schatten des Säulengangs, näherte sich Feradge und reichte ihm ein
zusammengerolltes kleines Pergament. Der Eunuch verscheuchte ihn mit einem
Wink, bevor er das Schriftstück entrollte und überflog.
    „Kaiserliche Majestät!“ Der Leibeunuch wirkte
aufgewühlt. „Soeben sind mit einer Taube Nachrichten von großer Wichtigkeit aus
dem Norden des Reiches eingetroffen.“ Er reichte dem Sultan die Schriftrolle.
    Abd Er Rahman studierte den Inhalt
aufmerksam, dann rollte er das Papier zusammen und blickte zu André: „Abd El
Kader ist mit den Stämmen meiner Provinz Oran, zu denen auch der Verräter El
Katthabi gehört, erneut in Algerien eingefallen. Daraufhin hat die französische
Marine Tanger bombardiert.“
    Sibylla erschrak. Waren sie zu spät gekommen?
Würde der Sultan sich jetzt noch an sein Versprechen halten und Benjamin
freilassen? Auch André wirkte verunsichert: „Kaiserliche Majestät, wenn Ihr es
wünscht, werde ich mich persönlich beim französischen Generalkonsul für Euch
verwenden.“
    Abd Er Rahman hob die rechte Hand. „Für
Tanger kommt Ihr Angebot zu spät, Monsieur Rouston. Aber Sie, Mrs. Hopkins,
brauchen sich nicht zu sorgen. Ein Herrscher aus dem Haus der Alawiden bricht
sein Wort nicht. Ihr Gemahl wird seine Freiheit zurückerhalten. Aber denken Sie
an meine Worte: Es ist kein Unschuldiger, der freigelassen wird!“
     
    „Hast du es so eilig, weil du es nicht
erwarten kannst, wieder mit deinem Mann vereint zu sein?“, bemerkte André
missmutig, während er den Sattelgurt seines Pferdes festzurrte.
    „Meine Kinder waren über eine Woche ohne ihre
Mutter. Ich finde, das ist genug“, antwortete Sibylla. „Lass uns aufsitzen! Ich
will heute Mogador erreichen.“
    „Vos désirs sont des ordres, Madame!“ André
verstaute die Reste der Mittagsmahlzeit in den Satteltaschen, schwang sich auf
seine braune Stute und ließ sie galoppieren. Sibylla musste sich beeilen, um
hinterherzukommen, denn er spornte das Tier immer mehr an. Wut und Eifersucht
trieben ihn vorwärts. Obwohl er sich hundertmal gesagt hatte, dass Sibylla
nichts dafür konnte, ließ er sie seine schlechte Laune spüren.
    Vor drei Tagen waren sie von Marrakesch
aufgebrochen, und seither fragte er sich, was ihn zu der unsinnigen Heldentat
getrieben hatte, sich für seinen Rivalen einzusetzen. Es musste der Wunsch
gewesen sein, ihr zu imponieren, sie mit seinem diplomatischen Geschick und
seinem Einfluss auf den Sultan zu beeindrucken. In einem Winkel seines Herzens
hatte er sogar gehofft, dass er sie in diesen wenigen Tagen und Nächten, die
sie allein verbrachten, in den Armen halten, sie lieben durfte. Das Gefühl, bei
ihr an dem Platz angekommen zu sein, wo er hingehörte, wurde immer stärker.
Aber sie hatte ihn nicht ermutigt, und das kränkte ihn, auch wenn er sich noch
so oft einredete, dass es unrecht war, diese Art von Belohnung für seine
Unterstützung zu erwarten.
    „Ich hätte diesen Kerl auf der Insel
verschimmeln lassen sollen!“, knurrte er und drückte seiner Stute die Fersen in
die Flanken.
    „André, warte! Ich glaube, mein Pferd lahmt!“
    Das brachte ihn zur Besinnung.

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