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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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vorübereilte.
    Sie gelangten in einen Hof, der ganz von
einem Säulengang umrandet und von einem großen rechteckigen Wasserbecken
ausgefüllt war. Sibylla merkte, wie das Wasser die Hitze der Wüste angenehm
abkühlte. „Wir sind so nahe an der Sahara, und trotzdem gibt es hier so viel
Wasser!“, staunte sie.
    „Seine Kaiserliche Majestät leitet es aus dem
Atlas hierher. Er ehrt damit Allah, der den Menschen das Wasser geschenkt und
so den unfruchtbaren Schoß der Erde zum Leben erweckt hat“, erläuterte der
Eunuch würdevoll.
    Sie hatten das Ende des Wasserbeckens
erreicht und passierten einen achteckigen vergitterten Pavillon. Ein
ausgewachsenes Löwenpaar lag darin und fixierte die Besucher aus wachsamen
bernsteingelben Augen. Sibylla hatte lebendige Löwen erst ein Mal gesehen, vor
vielen Jahren in London, als eine fahrende Menagerie exotische Tiere
ausgestellt hatte. Als sie am Gitter entlangging, ließ das Männchen ein tiefes
warnendes Grollen hören. Sie betrachtete das große starke Tier mit der
schwarzgelben Mähne und den tödlichen Pranken, die wuchtiger als zwei
Männerfäuste anmuteten.
    „Ich hatte ja keine Ahnung, dass der Name
‚Löwenhof‘ so wörtlich zu nehmen ist!“, flüsterte sie André zu.
    „Ein dezenter Hinweis auf die Macht des
Herrschers“, gab er leise zurück. „Lass dich davon nicht beeindrucken!“
    „Hier wird die Audienz stattfinden“, unterbrach
Feradge.
    „Hier?“, rutschte es Sibylla heraus. Sie
hatte einen offiziellen Rahmen erwartet, einen Thronsaal mit Würdenträgern und
Hofbeamten, aber gewiss keinen Garten. Doch der Eunuch führte die Gäste auf die
andere Seite des Löwenkäfigs. Dort waren seidene Teppiche auf dem Boden
ausgebreitet, und Kohlepfannen verströmten die Aromen duftender Harze. Unter
einem seidenen roten Baldachin, flankiert von zwei Sklaven, die ihm mit
Palmenblättern Luft zufächelten, thronte auf einem Diwan Sultan Moulay Abd Er Rahman,
Imam aller wahren Gläubigen und Herrscher Marokkos aus der heiligen Dynastie
der Alawiden, der letzte freie Herrscher des arabischen Nordafrika, eine weiß
gekleidete Gestalt mit einem sorgsam gestutzten grau durchsetzten Bart und
wachen schwarzen Augen im gut genährten rundlichen Gesicht.
    Zuerst begrüßte der Sultan Rouston. Seine
schwarzen Augen verharrten auf der Ehrenmedaille. Er erkannte, dass André die
Uniform der Sieger des Algerienkrieges trug und es wie der Herrscher selbst
verstand, Zeichen der Macht sprechen zu lassen.
    Dann verneigte Sibylla sich ehrfürchtig. „Asalamu
alaikum. Kaiserliche Majestät, ich bin tief gerührt, dass Ihr mich und Monsieur
Rouston empfangt. Erlaubt mir, Euch diese bescheidene Gabe zu überreichen.“
    Sie wandte sich an André, der den Sattel
getragen hatte und ihn nun dem Sultan zu Füßen legte.
    Der Herrscher neigte huldvoll sein Haupt.
„Wa-alaikum salam, Kauffrau. Wir danken Ihnen für die Ehre Ihres Besuches.“
    Er klatschte in die Hände. Ein Sklave eilte
aus dem Schatten des Säulenganges, hob den Sattel auf und trug ihn davon. Abd
Er Rahman hatte kein Wort zu dem Geschenk gesagt. Hätte Sibylla nicht gewusst,
dass es unter Arabern als unhöflich galt, sich mehr mit seinem Geschenk als mit
seinen Gästen zu beschäftigen, hätte sie befürchtet, es gefiele ihm nicht.
    Der Sultan deutete auf einem weiteren Diwan
ihm gegenüber. „Bitte, verehrte Gäste, nehmen Sie Platz! Machen Sie Uns die Freude, einen Mokka mit
Uns zu trinken!“
    Er klatschte erneut in die Hände. Weitere
Sklaven tauchten wie aus dem Nichts auf. Einer brachte Wasserschalen und
Tücher, damit der Herrscher und seine Gäste sich die Hände reinigen konnten.
Einer trug hauchdünne Porzellantässchen. Der dritte servierte Konfekt, und der
vierte reichte Seiner Majestät eine Kaffeemühle, damit er höchstpersönlich die
frisch gerösteten Bohnen mahlen konnte. Danach braute einer der Sklaven den
Mokka auf einem der Kohlebecken. Feradge stand währenddessen hinter dem Diwan
seines Herrn und dirigierte das Zeremoniell mit winzigen Handbewegungen.
    „Ihr Arabisch ist vorzüglich, Mrs. Hopkins“,
bemerkte der Sultan liebenswürdig, während er den frisch gebrühten Mokka in die
Tassen goss.
    „Ist es nicht das Geringste, die Sprache des
Landes zu lernen, das meine Familie mit so viel Freundlichkeit aufgenommen
hat?“, erwiderte Sibylla bescheiden.
    In diesem Stil ging es eine ganze Weile
weiter. Moulay Abd Er Rahman und seine Gäste tauschten Nettigkeiten, als
befänden sie sich bei

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