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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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sie nur ein Klümpchen geschmolzenes Metall, das ebenso gut ein Knopf
von Benjamins Jacke wie Teil eines Türbeschlages hätte sein können.
    Meine Bemühungen sind zu spät gekommen,
dachte Sibylla bedrückt. Wäre sie nur eine Woche früher nach Marrakesch
geritten, könnte ihr Mann noch leben! Jetzt musste sie davon ausgehen, dass er
hier einen qualvollen Tod gestorben war.
    „Die Boote sind bereit. Wir können aufs
Festland übersetzen.“
    Sibylla drehte sich überrascht um. Sara
Willshire stand hinter ihr. Tief entsetzt blickte sie über das Trümmerfeld.
    „Danke.“ Sibylla wollte an ihr vorbeigehen,
aber Sara hielt sie fest.
    „Was für ein schreckliches Unglück!“,
flüsterte sie. „Ich… wir alle haben Ihnen unrecht getan. Es tut mir so leid!“
    Sibylla musterte sie stumm und dachte an die
letzten Monate, als ihr die dringend benötigte Unterstützung verweigert worden
war. Sie wollte nicht bitter sein, schließlich hatten sie alle schwere Tage
hinter sich, als sie zusammengepfercht in der portugiesischen Kirche dem Tod
ins Auge gesehen hatten. Aber sie konnte auch nicht einfach vergessen, wie
Menschen, die sie für Freunde gehalten hatte, sie im Stich gelassen hatten.
    „Niemand hat an Benjamins Unschuld geglaubt“,
erwiderte sie kühl. „Keiner außer Monsieur Rouston hat mir geholfen, als ich in
Not war. Auch Sie und ihr Mann haben sich abgewendet.“
    Sara schluchzte verzweifelt. Sibylla drehte
sich um und ging davon.

Kapitel
achtzehn
     
    „Allah sei gepriesen, Herrin, Sie sind wieder
da!“ Es fehlte nicht viel, und Hamid wäre vor Sibylla auf die Knie gesunken.
Seine Rufe hatten den Koch und die anderen Dienstboten alarmiert. Alle kamen
angelaufen, und auch sie dankten Gott, dass die Herrin wohlbehalten zurück war.
    Sibylla begrüßte ihre Dienerschaft erfreut:
„Wie schön, dass es euch gut geht! Wie habt ihr die Bombardierung überstanden?
Wart ihr die ganze Zeit im Haus?“
    „Als die Franzosen geschossen haben, waren
wir hier, Herrin, aber als die Haha kamen, haben wir uns auf dem Friedhof vor
der Stadt versteckt. Die Haha meiden den Friedhof, weil sie die Söhne von Ochsen
sind und Angst vor den Dschinni haben“, verkündete Hamid, sichtlich stolz, weil
er die Idee gehabt hatte, sich zwischen den Grabmälern zu verstecken.
    „Ach, es tut gut, wieder zu Hause zu sein!“,
seufzte Sibylla.
    „Und der Herr?“, fragte Hamid. „Ist der Herr
auch wieder hier?“
    Sie schüttelte den Kopf und berichtete, dass
Benjamin während der Bombardierung auf der Insel Mogador ums Leben gekommen
war.
    sofort begann der Torwächter laut zu
wehklagen und sich die Haare zu raufen: „ Inna
lillahi wa inna ilaihi rajiun… Wir gehören Allah, und zu ihm kehren wir
zurück…“
    „Wir sollten dankbar sein, dass wir am Leben
geblieben sind und das Haus von den Kanonen verschont wurde“, versuchte
Sibylla, ihn zu beschwichtigen.
    Doch jetzt warf der Koch beide Hände in die
Höhe und lamentierte: „Vor den Kanonen hat Allah das Haus beschützt, aber nicht
vor den Haha. Sie sind hier eingefallen wie ein Schwarm Heuschrecken und haben
alles entzweigeschlagen! Oh, welches Unglück, Herrin!“
     
    Bald stellte sich heraus, dass auch das Haus
nicht ganz von Kanonenkugeln verschont geblieben war. Eine hatte im Innenhof
nahe Benjamins Sonnenuhr eingeschlagen. Als Sibylla den Schaden besichtigte,
stellte sie fest, dass sich das Fundament ein Stück gehoben hatte, so dass die
Uhr mitsamt Sockel schief stand. Die bronzene Erdkugel mit den Schlangenköpfen
war unversehrt geblieben, aber der Union Jack lag verbrannt und zerfetzt
daneben. Dann entdeckte sie Benjamins wertvolle Karpfen im Wasserbecken fehlten.
    „Die Haha haben sie mit ihren Bajonetten erstochen“,
sagte Hamid finster. „Und gebraten", fügte der Koch hinzu.
    Im Inneren des Hauses sah es aus, als wäre
ein Wirbelsturm durch die Zimmer gefegt. Möbel waren entzweigeschlagen, Bücher
zerfetzt, Kleider zerrissen und Spielzeug zerstört. Alles, was auch nur etwas
Wert besaß, hatten die Haha gestohlen. Sogar die Flaschen mit Benjamins
Alkoholvorräten hatten sie zerschlagen. Nur eine halbleere Flasche Whisky in
seinem Schreibtisch hatten sie nicht gefunden.
    „Diese Halunken haben schlimmer gewütet als
die Schergen des Kaids“, bemerkte Sibylla grimmig. Doch sie krempelte
unverzüglich die Ärmel hoch und begann, unterstützt von Nadira, Firyal und
Hamid, aufzuräumen. Nur der Koch verschwand in der Küche, um aus den kläglichen
Resten,

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