Die Löwin
dem Kopf zusammen. »Heilige Madonna! Das wollt Ihr doch nicht wirklich tun!«
Caterina lachte bitter auf, als sie die entsetzten Mienen ihrer Begleiterinnen bemerkte. »Natürlich nicht! Obwohl es im Augenblick das Einzige wäre, das meine Wut besänftigen könnte. Ich fühle mich lächerlich gemacht und gedemütigt – und jetzt sind auch noch die Diener mit den Sänften verschwunden! Also werden wir uns selbst um ein Fahrzeug kümmern müssen – so als wären wir Marktweiber.«
Ohne Vorwarnung drehte sie sich um und ging auf eine Lücke zwischen zwei Häusern zu, hinter denen ein etwas breiterer Kanal zu erkennen war. Dort würden sie, wie sie hoffte, einen Gondoliere finden, der sie nach San Giorgio zurückbringen konnte. Sie war noch mehrere Schritte vom Ufer entfernt, als ein junger Mann in einem aufwändig bestickten Tappert und engen, unterschiedlich gefärbten Beinkleidern auf sie zutrat.
»Signorina di Monte Elde?«
Caterinas Rechte tastete nach dem Knauf ihres Dolchs, bevor sie Antwort gab. »Die bin ich. Was wünscht Ihr von mir?«
»Ich soll Euch ausrichten, dass Eure Gondola bereitsteht.«
»Wer hat Euch den Befehl gegeben? Der Doge?«
»Sagen wir – ein guter Freund des Herzogs von Molterossa.« Der Jüngling verneigte sich und zeigte auf eine recht große Gondel mit einem Baldachin, der die Passagiere vor der Sonne schützte und an dem Vorhänge befestigt waren, die geschlossen werden konnten, um unerwünschte Blicke fern zu halten. Caterina kam wieder Malles Warnung vor einer Entführung in den Sinn, aber ihre Neugier war größer als ihre Vorsicht. Der junge Mann wirkte nervös, jedoch nicht feindselig, und er hatte auch nur die beiden Ruderer der Gondel bei sich.
»Ich will Euch vertrauen, Signore. Doch versucht nicht, mich hinters Licht zu führen! Ihr würdet es bereuen.« Kurz entschlossen trat Caterina auf die Gondel zu und ließ sich zu Malles Entsetzen von den beiden Ruderern hineinhelfen. Bianca zögerte einen Augenblick, stieg dann ebenfalls in das Boot, und nun folgte Malle ihnen mit der Miene eines Hütehundes, der einen Wolf wittert. Hinter ihr stieg der junge Mann an Bord, und es wunderte Caterina nicht, dass er sofort die Vorhänge zuzog.
Durch einen kleinen Spalt, den sie mit dem Finger öffnete, sah sie Kanäle und Häuser vorbeiziehen, und dem Stand der Sonne nach zu urteilen, näherten sie sich dem westlichen Teil der Stadt. Kurz darauf überquerten sie den Canal Grande, wechselten noch einige Male die Wasserstraßen und erreichten schließlich ein schmuckloses graues Haus, von dem aus eine Treppe bis ins Wasser führte. Die beiden Ruderer brachten die Gondel so zum Stehen, dass die Bordwand die Steine nicht berührte und die Passagiere dennoch bequem aussteigen konnten. Sofort öffnete der junge Mann den Vorhang und schlüpfte hinaus. Da Caterina zögerte, streckte er den Kopf wieder herein und lächelte. »Ihr könnt beruhigt aussteigen, Signorine.«
Caterina und Bianca erhoben sich mit erwartungsvollen Seufzern und ließen sich von ihrem Begleiter die Hand reichen, bis sie sicher auf der Treppe standen, Malle aber kletterte alleine hinaus und sah sich dabei so suchend um, als hielte sie nach einem Gegenstand Ausschau, mit dem sie ihre Herrin verteidigen konnte. Die Tür am Ende der Treppe öffnete sich nun wie von unsichtbarer Hand, aber es kam kein Diener heraus, um die Gäste in Empfang zu nehmen. Caterina betrat einen langen Flur, der bis zur Rückwand des Hauses zu reichen schien. Ein halbes Dutzend Türen und zwei Treppen führten in andere Räume und Stockwerke. Der junge Mann stieg eine der Treppen hoch und winkte seinen misstrauischen Gästen, ihm zu folgen. Kurz darauf fanden Caterina und ihre Begleiterinnen sich mit dem jungen Mann in einem kleinen Zimmer wieder, in dem eine ältere Frau neben dem Fenster saß und stickte. Die Dame blickte einen Augenblick auf, begrüßte die Eintretenden und beugte sich dann wieder über ihre Nadelarbeit.
»Ich darf den Damen meine Mutter vorstellen! Sie überwacht unser Zusammentreffen, damit die Schicklichkeit gewahrt bleibt«, erklärte der junge Mann und gab herbeieilenden Mägden den Befehl, einen kleinen Tisch in der Mitte des Raumes zu decken, um den fünf Stühle platziert waren. Caterina und Bianca nahmen ungeniert Platz, und Malle setzte sich kurzerhand neben ihre Herrin, obwohl der Jüngling sie so empört anstarrte, als wolle er sie verjagen. Doch er äußerte sich nicht, sondern wies eine Magd an, einen
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