Die Löwin
Fenster spendeten kaum Licht, und es dauerte zwei, drei Augenblicke, bis er etwas erkennen konnte. Dann entdeckte er einige Tische und eine gemauerte Feuerstelle, die derzeit jedoch nur Asche enthielt. Lanzelottos Leute, die als einzige Gäste hier weilten, verlangten nur nach Wein und gelegentlich nach einem Stück von den Schinken oder den Würsten, die an armdicken Stangen unter der Decke hingen. Der Wirt, ein mageres Männchen mit spitzem Gesicht, füllte eben einen weiteren Krug aus dem bauchigen Fass, das in einem kleinen Anbau aufgebockt stand.
Rodolfo blieb vor ihm stehen und lächelte. »Ich glaube, es wäre besser, wenn du diesen Kerlen draußen den Wein bringst. Deine Magd sollte sich für einige Stunden ein gutes Versteck suchen.«
Der Wirt sah Rodolfo an, als wäre dieser nicht bei Sinnen. »Dann erhalte ich Schläge, weil sie nicht mehr da ist. Nein, Signore, da ist es mir lieber, Renza hält die Kerle bei Laune. Ihr passiert nicht mehr als anderen Frauen auch.«
Rodolfo wandte ihm mit einer Geste der Verachtung den Rücken zu und legte Renza, die gerade hereingekommen war, die Hand auf die Schulter. Er spürte, wie sie vor Angst zitterte, und musste an sich halten, um dem Alten nicht die Schläge zu verabreichen, die dieser von Lanzelotto Aniballis Leuten befürchtete.
»Du solltest klug sein und verschwinden. Diese Kerle draußen sind Abschaum und werden dich zuschanden richten.«
Das Mädchen sah ihn verzweifelt an. »Wenn ich das tue, schlägt der Wirt mich tot.«
Rodolfo wusste nicht, was ihn trieb, doch er nestelte seine Börse los und zählte ihr drei blanke Dukaten in die Hand. »Das dürfte reichen, bis du eine bessere Stelle gefunden hast.«
Das Mädchen starrte auf das Geld, hauchte: »Danke«, und huschte davon. Der Wirt fluchte und wollte ihr folgen, um sie aufzuhalten. Doch da entblößte Rodolfo seine Zähne zu einem bösen Grinsen und streichelte den Knauf seines Schwertes.
»Versuche es! Ich bezweifle, dass du die Tür heil erreichen wirst.«
Der Wirt blieb stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gerannt, und rang die Hände. »Herr, habt Gnade mit mir! Diese Schufte werden es mich entgelten lassen, dass meine Magd fortgelaufen ist. Die Schmerzen werdet Ihr mir nicht nehmen können, doch ein paar Dukaten aus Eurer Börse würden sie erträglicher machen. Ihr seid doch ein reicher Edelmann!«
»Bei der Muttergottes, was bist du für ein erbärmliches Geschöpf! Nimm die Prügel dieser Kerle hin und danke Gott, dass du nicht auch noch von mir Schläge erhältst.« Rodolfo drehte dem Wirt angewidert den Rücken und verließ die Taverne. Dieser fluchte leise vor sich hin, stellte dann den Weinkrug ab und schlich durch den Hintereingang ins Freie. Draußen rannte er los, als fühle er schon die Faust eines Söldners im Nacken, und suchte Schutz in einem kleinen Pinienwäldchen, das sich in der Nähe des Dorfes erstreckte. Die Unversehrtheit seiner Haut lag ihm mehr am Herzen als die Einrichtung seiner Schenke, die Aniballis Meute in ihrer Wut nun zerschlagen würde.
Rodolfo holte rasch sein Pferd und ritt los. Unterwegs nannte er sich einen blutigen Narren, weil er einer Wirtsmagd, die ihn nicht das Geringste anging, mehr als einen Jahreslohn geschenkt hatte. Dann aber musste er lachen, denn er stellte sich die dummen Gesichter vor, die Aniballi und seine Spießgesellen machen würden, wenn sie herausfanden, dass die Stute, die sie für die Nacht hatten satteln wollen, verschwunden war. In seinen Augen waren diese Männer Gesindel, das eine harte Hand fühlen musste. Wenn die Kerle nicht bald einen neuen Condottiere fanden, der sie in seine Dienste nahm, würden sie trotz der edlen Abkunft, die einigen anzusehen gewesen war, zu Banditen herabkommen, die früher oder später ein Ende auf dem Richtblock finden würden. Rodolfo hatte zwar nur den ersten, bescheidenen Schritt auf dem weiten Weg zu einem bedeutenden Condottiere getan, doch er würde Lanzelotto Aniballi und dessen Haufen nicht einmal als Soldknechte in seine Truppe aufnehmen, geschweige denn als Offiziere.
3.
A rnoldo Caetani, der Herzog von Molterossa, legte die Hände auf die Brüstung und starrte auf den kleinen See hinab, in den der Burghügel wie eine Halbinsel hineinragte. Unten schmiegte sich ein kleines, von einer Mauer umgebenes Städtchen an das Ufer, dessen Häuser aus Bruchsteinen und behauenen Quadern errichtet worden waren. Den Mittelpunkt des Örtchens bildete eine große, dreischiffige Kirche,
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