Die Loge
auf einem öffentlichen Parkplatz am Fährhafen ab und schlenderte zum Quai Henri IV hinüber, um zu frühstücken. In einem Café mit Blick über den Hafen bestellte er eine brioche und einen café au lait und las die Tageszeitungen. Sie brachten keine Meldung über die Ermordung des britischen Enthüllungsjournalisten Peter Malone, und auch im Radio war der Mord nicht gemeldet worden. Lange war sich ziemlich sicher, daß der Tote noch nicht aufgefunden worden war. Damit war erst gegen zehn Uhr Londoner Zeit zu rechnen, wenn seine Assistentinnen zur Arbeit kamen. Begann die Polizei dann ihre Ermittlungen, würde kein Mangel an Tatverdächtigen herrschen. Malone hatte sich im Lauf der Jahre zahlreiche Feinde gemacht. Jedem von ihnen wäre es ein Vergnügen gewesen, ihn ins Jenseits zu befördern.
Lange bestellte noch mehr brioches und eine weitere große Schale Kaffee. Er hatte es mit der Weiterfahrt plötzlich nicht mehr eilig. Nach der langen Nachtfahrt fühlte er sich leicht benommen, und die Vorstellung, den ganzen Tag über nach Zürich unterwegs zu sein, deprimierte ihn. Er dachte an Katrine, ihre einsam gelegene Villa am Rand eines dichten normannischen Waldes und die Freuden, die in ihrem riesigen Himmelbett zu finden waren.
Er ließ etwas Geld auf dem Tisch liegen und ging den Kai entlang zur Poissonnerie, Dieppes altem überdachtem Fischmarkt. Dort schlenderte er von Stand zu Stand, begutachtete den fangfrischen Fisch und schwatzte in perfektem Französisch mit den Fischhändlern. Er entschied sich für zwei schöne Barsche und ein Sortiment Garnelen und Muscheln. Dann verließ er den Markt und machte sich auf den Weg zur Grand Rue, der Haupteinkaufsstraße der Stadt. Dort kaufte er beim Bäcker frische Baguettes, beim Käsehändler verschiedene Käsesorten und beim Weinhändler ein halbes Dutzend Flaschen Wein und eine Flasche Calvados.
Er verstaute seine Einkäufe auf dem Rücksitz des Peugeots und fuhr los. Die Straße folgte dem Rand der Felsklippen und stieg und fiel mit den Konturen der Küste. Unterhalb der Klippen lagen steinige Strände. In der Ferne lief eine Flottille von Fischerbooten in langer Reihe in einen Hafen ein. Er kam durch eine Reihe malerischer Fischerdörfer und verschlang unterwegs eines der Baguettes. Als er St.-Valery-en-Caux erreichte, roch das Wageninnere stark nach Garnelen und Muscheln.
Eineinhalb Kilometer vor St. Pierre bog er in eine schmale Nebenstraße ein und folgte ihr durch Apfelplantagen und Flachsfelder landeinwärts. Kurz hinter dem Dorf Valmont bog er in eine noch schmalere, von Birken gesäumte Zufahrt ein, auf der er blieb, bis sie nach ungefähr einem Kilometer an einem Holztor endete. Hinter dem Tor stand im Schatten hoher Buchen und Ulmen eine aus Naturstein gemauerte Villa. Katrines roter Jeep parkte im Kies vor der Haustür. Sie würde noch schlafen. Katrine fand selten Grund, vor Mittag aufzustehen.
Lange stieg aus, öffnete das Tor und fuhr bis vors Haus. Er versuchte, die Haustür zu öffnen, ohne erst anzuklopfen, und fand sie versperrt vor. Nun blieben ihm zwei Möglichkeiten: Er konnte an die Haustür hämmern, bis Katrine aufwachte, oder seinen Besuch mit etwas Spaß beginnen. Er entschied sich für letzteres.
Die Villa hatte einen U-förmigen Grundriß und war von einem verwilderten Garten umgeben. Im Sommer leuchtete er in sämtlichen Farben, aber jetzt, im Spätwinter, war er eintönig grün. Hinter dem Garten begann der Wald, dessen Bäume ihre kahlen Äste in den stillen Morgenhimmel reckten. Der Innenhof der Villa war mit Natursteinen gepflastert. Lange suchte sich seinen Weg durch ein Minenfeld aus Blumentöpfen, von denen viele rissig waren, achtete darauf, kein Geräusch zu machen, und fing an, die sechs Terrassentüren auszuprobieren. Die fünfte Tür war unverriegelt. Leichtsinnige Katrine, dachte Lange. Er würde ihr eine Lektion erteilen, die sie nicht so schnell vergessen würde.
Er trat über die Schwelle, durchquerte lautlos das halbdunkle Wohnzimmer und stieg die Treppe zu Katrines Schlafzimmer hinauf. Er öffnete die Tür einen Spaltbreit und sah hinein. Die Vorhänge waren zugezogen. Im Dämmerlicht sah er die Schlafende im Bett liegen. Ihr Haar bedeckte das Kopfkissen, und ihre nackten Schultern sahen unter der Daunendecke hervor. Sie hatte den dunklen Teint einer Südfranzösin, war dabei aber blond und blauäugig wie eine Normannin. Die rötlichen Lichter in ihrem Haar waren wie ihr hitziges Temperament das Erbe einer
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