Die Loge
auf Langes Berührungen. Erst als sie vollkommen befriedigt war, wandte sie diesem ihre mannigfachen Talente zu. Sie war eine quälende Liebhaberin, so mit Langes Körper vertraut, daß sie sich ihm jedesmal, wenn er kurz davor war, die Beherrschung zu verlieren, entwand und ihn ohne Entspannung leiden ließ. Als er es nicht länger ertragen konnte, ergriff er selbst die Initiative, packte Katrine an den Hüften und drang von hinten in sie ein. Das hatte mehr Ähnlichkeit mit einer gewaltsamen Eroberung, als ihm recht war, aber genau darauf hatte es Katrine angelegt. Als Lange seinen Höhepunkt erreichte, warf er den Kopf in den Nacken und schrie seine Lust hinaus. Katrine beobachtete ihn über eine Schulter hinweg mit zutiefst befriedigter Miene, weil sie ihn wieder einmal besiegt hatte.
Danach ließ sie ihren Kopf so auf seiner Brust ruhen, daß ihr feuchtes Haar über seinen Bauch floß. Lange sah durch die Balkontür zu den Bäumen am Waldrand hinüber. Vom Ärmelkanal her war Sturm aufgekommen, und die Bäume bogen sich im Wind. Lange spielte mit Katrines Haar, aber sie bewegte sich nicht. Weil sie gemeinsam gemordet hatten, konnte Lange mit ihr zusammen sein ohne Hemmungen und die latente Angst, er könnte etwas von sich verraten. Er liebte Katrine nicht, aber er hatte sie gern. Tatsächlich war sie die einzige Frau, aus der er sich wirklich etwas machte.
»Er fehlt mir so«, murmelte sie.
»Wer denn, Katrine?«
»Der Kampf.« Sie wandte ihm ihr Gesicht zu. »Jetzt hocke ich hier in Valmont, lebe vom Erbe meines Vaters, den ich verabscheut habe, und warte darauf, alt zu werden. Ich will aber nicht alt werden! Ich will kämpfen.«
»Wir waren törichte Kinder. Jetzt sind wir klüger.«
»Und du mordest für andere – wenn der Preis stimmt, versteht sich.«
Er legte ihr einen Zeigefinger auf die Lippen. »Mir hat niemand ein Vermögen vererbt, Katrine.«
»Bist du deshalb ein Profikiller?«
»Ich besitze gewisse Fähigkeiten – Fertigkeiten, nach denen Nachfrage besteht.«
»Du redest wie ein richtiger Kapitalist.«
»Hast du das nicht mitbekommen? Der Kapitalismus hat gesiegt. Die Mächte des Guten wurden von Geldgier und Profitstreben zermalmt. Jetzt kannst du bei McDonald's essen und Euro-Disneyland besuchen, wann immer du willst. Du hast dir dein ruhiges Leben und deine schöne Villa verdient. Lehn dich zurück und genieße die Befriedigung einer ehrenvollen Niederlage.«
»Du bist ein solcher Heuchler!« sagte sie.
»Ich sehe mich lieber als Realist.«
»Für wen mordest du?«
Für Männer, die wir einst verabscheut haben, dachte Lange. Dann sagte er: »Du kennst die Regeln, Katrine. Schließ die Augen.«
Als Katrine eingeschlafen war, schlüpfte Lange aus dem Bett, zog sich leise an und verließ das Haus. Er öffnete den Kofferraum des Peugeots, holte Peter Malones Notebook heraus, steckte es unter seine Jacke und trabte damit durch den Regen ins Haus zurück. Im Wohnzimmer zündete er das im Kamin aufgeschichtete Apfelholz an und machte es sich auf Katrines Sofa bequem. Er klappte das Notebook auf, schaltete es ein und wartete, bis der Computer hochgefahren war. Seine Vereinbarung mit Carlo Casagrande sah vor, daß er das Notebook und die aus Malones Arbeitszimmer mitgenommenen Unterlagen in einem Züricher Bankschließfach hinterlegte. Aber solange sich der PC noch in seinem Besitz befand, hatte er keine Skrupel, sich die gespeicherten Informationen anzusehen.
Er öffnete das Verzeichnis Dokumente und sah sich die Daten und Titel der letzten Einträge an. In der Stunde vor seinem Tod hatte der Journalist zwei neue Dokumente angelegt, von denen eines ISRAELISCHER ATTENTÄTER und das andere MORD AN BENJAMIN STERN hieß. Lange spürte ein Kribbeln in den Fingerspitzen. Draußen brauste der Nordweststurm, der vom Ärmelkanal heranzog, wie ein vorbeifahrender Schnellzug.
Die erste Datei enthielt ein höchst bemerkenswertes Dokument. Kurz bevor Lange in Malones Stadthaus eingedrungen war, hatte der Journalist einen Mann interviewt, der von sich behauptete, ein israelischer Attentäter zu sein. Lange las das Dokument mit einer gewissen professionellen Bewunderung. Der Mann hatte eine ziemlich bewegte und produktive Karriere hinter sich: Schwarzer September, ein paar Libyer, einen irakischen Atomwissenschaftler, Abu Jihad …
Lange hörte zu lesen auf und starrte durch eine der Terrassentüren zu den vom Sturm bewegten Bäumen hinüber. Abu Jihad? War der Mann, der Abu Jihad liquidiert hatte,
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