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Die Loge

Die Loge

Titel: Die Loge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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überlassen.«

T EIL III
    Eine Pension in Rom

16
    R OM
    Das »Abruzzi« hatte schon bessere Zeiten erlebt. Die senfgelbe Fassade des Gebäudes im Viertel San Lorenzo zwischen dem Hauptbahnhof Stazione Termini und der Kirche Santa Maria Maggiore sah so pockennarbig wie nach MG-Beschuß aus, und am Empfang roch es nach Katzenklo. Trotz ihres reichlich heruntergekommenen Äußeren entsprach die kleine pensione genau Gabriels Bedürfnissen. Das Präsidium der Polizia di Stato war zu Fuß in wenigen Minuten zu erreichen, und im Gegensatz zu den meisten römischen Pensionen waren im »Abruzzi« alle Zimmer mit Telefon ausgestattet. Der wichtigste Vorteil aber war: Falls die Crux Vera nach ihm fahndete, würde sie zuallerletzt auf das »Abruzzi« kommen.
    Der Nachtportier war ein übergewichtiger Mann mit runden Schultern und gerötetem Gesicht. Gabriel gab sich als Heinrich Siedler aus und sprach ihn in holprigem Italienisch mit grausamem deutschem Akzent an. Der Portier betrachtete ihn mit düsterer Miene und trug dann den Namen und die Nummer des Reisepasses ins Gästebuch ein.
    Gabriel durchquerte einen Gemeinschaftsraum, in dem sich zwei kroatische Jugendliche ein verbissenes Tischtennismatch lieferten, stieg lautlos die schmuddelige Treppe hinauf, betrat sein Zimmer und sperrte hinter sich ab. Er ging ins Bad. Die Rostflecken in der Wanne sahen aus wie angetrocknetes Blut. Gabriel wusch sich das Gesicht, dann zog er seine Schuhe aus und ließ sich aufs Bett fallen. Er schloß die Augen, war aber zu erschöpft, um Schlaf zu finden. So blieb er auf dem Rücken liegen, horchte auf das Klacka-klacka-klack des Tischtennismatchs im Erdgeschoß und ließ die letzten vierundzwanzig Stunden im Geist nochmals an sich vorbeiziehen.
    Er war seit Tagesanbruch unterwegs. Statt direkt von London nach Rom zu fliegen, wo er die Kontrollen auf dem Flughafen Leonardo da Vinci hätte passieren müssen, war er nach Nizza geflogen. Auf dem dortigen Flughafen hatte er die Hertz-Autovermietung aufgesucht, bei der ihm Monsieur Henri, ein Freund des Diensts, einen Renault so vermietet hatte, daß er sich unmöglich zu Gabriel zurückverfolgen ließ. Von Nizza aus war er auf der autoroute A8 in Richtung Italien weitergefahren. Kurz vor Monaco hatte er den englischsprachigen Sender Radio Riviera eingeschaltet, um vielleicht etwas über den Krieg in den Palästinensergebieten zu hören. Statt dessen war gemeldet worden, der britische Enthüllungsjournalist Peter Malone sei in seinem Londoner Haus erschossen aufgefunden worden.
    Gabriel, der auf einem Rastplatz stand, an dem der Verkehr auf der autoroute vorbeibrauste, umklammerte das Lenkrad mit beiden Händen und fühlte sein Herz gegen die Rippen hämmern. Wie ein Schachgroßmeister berechnete er die nächsten Züge voraus und sah eine Katastrophe auf sich zukommen. Er war zwei Stunden lang im Haus des Journalisten gewesen. Malone hatte ihn interviewt und sich reichlich Notizen gemacht. Die Metropolitan Police würde sie inzwischen entdeckt haben. Wegen der Querverbindungen zu einem ausländischen Nachrichtendienst war vermutlich der britische MI5 informiert worden. Deshalb stand zu befürchten, daß jetzt alle Polizei- und Geheimdienste Europas nach einem israelischen Attentäter mit dem Decknamen Schwert fahndeten. Die sichere Lösung? Schamron anrufen, sich außer Landes bringen lassen und in Netanja am Strand sitzen, bis Gras über diese Sache gewachsen war. Aber das würde bedeuten, die Suche nach Benjamins Mördern aufzugeben. Und die nach Malones Mördern. Gabriel fuhr vom Rastplatz zurück auf die autoroute und weiter nach Italien. An der Grenze winkte ihn ein gelangweilt wirkender Zollbeamter mit einer schlappen Handbewegung durch.
    Und nun, nach endlos langer Fahrt die italienische Halbinsel hinunter, befand er sich hier, in diesem moderig riechenden Zimmer im »Abruzzi«. Im Erdgeschoß war das Tischtennismatch anscheinend in einen neuen Balkankrieg abgeglitten. Das Protestgeschrei des Unterlegenen drang bis in Gabriels Zimmer hinauf. Er dachte an Peter Malone und fragte sich, ob er an seinem Tod schuld war. Hatte er die Killer zu ihm geführt? Oder hatte der Journalist schon vorher auf einer Liste von Leuten gestanden, die eliminiert werden sollten? War Gabriel der nächste auf dieser Liste? Als er allmählich in den Schlaf abglitt, glaubte er immer wieder, Malones warnende Stimme zu hören: »Halten diese Leute Sie für gefährlich, werden sie nicht zögern, Sie liquidieren zu

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