Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lokomotive (German Edition)

Die Lokomotive (German Edition)

Titel: Die Lokomotive (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
Vom Netzwerk:
Julias Vater hatte sich gar nicht dazu entschlossen mir zuzuhören, die leere Batterie hatte ihn unterbrochen. Er hatte nicht mitten im Satz aufgehört zu reden, das Handy hatte sich abgeschaltet. Eilig öffnete ich das Batteriefach, säuberte meine Finger am Hemd, so gut es ging, entnahm die Batterie, pustete sie ab von allen Seiten, und setzte sie wieder ein. Als ich das Handy einschaltete, leuchtete tatsächlich das Display auf. Es fragte mich nach der PIN-Nummer. Was hatte ich erwartet? Ich gab willkürlich eine Nummernkombination ein, und ein quäkender Ton erklang, das war die falsche. Beim Eingeben der zweiten Zahl, erlosch das Display wieder. Die Batterie war endgültig leer.
      Ich rutschte mit meinem Gesicht am Kupferdraht herunter und landete auf meinem Oberarm.
      Hatte ihr Vater genug verstanden, um jemanden Bescheid zu sagen?
      Vor mir verschwamm die kantige Landschaft, und ich schloss die Augen.
     
     
    Herr Baehr rief nach mir.
      „Ja“, meldete ich mich müde.
      „Nun, was ist? Was hat er gesagt?“
      „Er war betrunken, er hat mir kaum zugehört, und das Handy ist nutzlos, der Akku ist leer, den letzten Teil von dem, was ich gesagt habe, hat er wahrscheinlich gar nicht mehr gehört.“
      Die Zusammenfassung des Fehlschlages ließ ihn schweigen.
      Ich hielt das nutzlose Handy immer noch in der Hand und warf es auf die andere Seite meines Grabes. Es titschte auf und platschte in das Wasser. Ich sah kleine Wellen ausrollen nach allen Seiten. Sie berührten bereits meine ausgestreckten Beine, und ich zog sie zurück, so weit ich konnte.
      Ich verfolgte die Wasserlinie mit meinen Augen. Von zwei Seiten war ich bereits eingeschlossen. Das Wasser war nicht hoch, aber wenn ich mich darauf konzentrierte, sah ich, wie sich die Flut Zentimeter für Zentimeter vorschob, wie das Wasser in die von mir hinterlassenen Abdrücke lief. In fünfzehn Minuten würde ich hier im Wasser sitzen.
      „Herr Baehr, das Wasser kommt zu mir.“
      „Dann müssen Sie da raus.“
      Ich lachte gekünstelt auf, „Wie denn?“
      „Wie sind Sie denn an das Handy rangekommen?“
      „Ich musste ... danach graben.“
      „Also graben Sie. Graben Sie sich frei.“
      Ich schüttelte leicht den Kopf und sagte leise, „Wie soll das denn gehen hier?“
      „Was?“
      „Wie soll das denn gehen?“, fragte ich laut.
      „Na, mit dem Handy hat es auch geklappt.“
      „Das war ein Loch für meinen Arm.“
      „Dann müssen Sie sich eben anstrengen! Es geht um ihr Leben!“
      „Und wenn man mich ... uns ... hier schon ... geortet hat, und die da oben bereits auf dem Weg nach uns sind?!“
      „Wenn dem so wäre, dann hätten sie uns das wissen lassen. Was glauben Sie?!“
      Klopfzeichen. Richtig, jetzt konnte ich mir ein Stück Metall suchen und vernünftige Klopfzeichen geben.
      „Ich werde es noch einmal mit Klopfzeichen versuchen.“
      „Tun Sie das“, aber in seiner Stimme schwang Ablehnung mit über meine Entscheidung.
      Aus einem Schutthaufen neben mir zog ich einen massiven Stahlstreben wie ein Schwert aus seiner Scheide. Schwer lag er in meiner Hand. Ich schlug zunächst vorsichtig, dann immer stärker gegen eine Stahlplatte. Ich schlug dreimal in einem Takt und horchte, unzählige Male.
     Ich hoffte, die Trümmer über mir dadurch nicht zum Einstürzen zu bringen. Der Klang der Metallschläge verursachte ein tinitusähnliches Fiepen in meinen Ohren.
      Anfangs glaubte ich eine Antwort zu hören, aber bei genauerem Hinhören entpuppten sich die vermeintlichen Schläge von oben als Echo der meinen.
      In einer der Pausen zwischen meinem Hämmern spürte ich Wasser an meinen Füßen. Die Flut hatte mich eingeholt. Die Hälfte meiner mir zur Verfügung stehenden Fläche war vom Wasser bedeckt.
      „Hilfe“, rief ich, so laut ich konnte, ich rief und schlug mit dem Stab gegen jedes Stück Stahl, das ich treffen konnte, gab kurz Ruhe, um nach Geräuschen zu lauschen und nach deren Ausbleiben nur noch lauter zu rufen und zu schlagen.
      Ich legte den Stab zur Seite und schaute steil auf. Wie hoch konnte der Berg aus Trümmern sein? Wenn ich ein Teil nach dem anderen über mir entfernen könnte, käme ich vielleicht schneller ans Ziel, näher an die Rettungsmannschaften allemal. Ich überlegte nicht weiter und zerrte an einer Stahltrosse, die sich unerwartet rau und faltig anfühlte. Rohe Gewalt hatte sie der Länge nach um die eigene Achse gewrungen.
      Es gab einen

Weitere Kostenlose Bücher